Rheinische Post Ratingen

Heukrise macht Ponyhof zu schaffen

Der trockene Sommer hat der Landwirtsc­haft enorm zugesetzt. Das wirkt sich auch auf Reitbetrie­be wie Gut Rodeberg aus.

- VON NICOLE MARSCHALL

ERKRATH/UNTERBACH Auf dem Futtermitt­elmarkt geht es zu wie an den Aktienbörs­en: Je größer die Nachfrage und je knapper der Rohstoff, desto höhere Preise können die Verkäufer verlangen. Das bekommt derzeit auch Christina Helm, Inhaberin des Gut Rodebergs, deutlich zu spüren.

Ihre regulären Heuliefera­nten haben ihre Vorräte bereits abverkauft und wer noch Heu hat, hält es bewusst zurück. Die Not wird am Markt bestimmt. Durch den trockenen Sommer blieb es für viele Bauern bei einer einzigen Mahd im Frühjahr. Erst jetzt im Herbst konnten sie ihre Wiesen ein zweites Mal mähen. Für Heu eignet sich die Herbstmahd aufgrund der Feuchtigke­it jetzt jedoch meist nicht mehr. „Die Herbstmahd wird zu Silage verarbeite­t. Silage dient als Kuhfutter; für die empfindlic­hen Pferdemäge­n ist sie nicht geeignet“, erklärt Christina Helm das Problem.

Lag der Preis für einen Rundballen Heu im Oktober 2017 zwischen 45 und 55 Euro, steht er in diesem Herbst bei einem Durchschni­ttspreis von 100 Euro. „Unsere Lieferante­n hatten diesen Sommer schon erhebliche Probleme, allen Kunden gerecht zu werden“, erzählt Christina Helm.

Auf der Suche nach Anbietern, die noch Bestände vorrätig haben, hat sie nun auch einige schwarze Schafe kennengele­rnt, die nicht nur mit ihrer Ware spekuliere­n. „Wir haben letzte Woche einen Lieferante­n mit einem voll beladenen Hänger wieder weggeschic­kt“, so Helm. Dass dieser die verabredet­e Liefermeng­e eigenmächt­ig erhöht hatte, wäre ja noch in Ordnung gewesen, dass er aber den vereinbart­en Preis ebenfalls deutlich nach oben „anpasste“, ließ sie nicht mit sich machen. Zurzeit weiden die 14 Pferde und Ponys von Gut Rodeberg sowie vier weitere vom Tierschutz­verein Düsseldorf auf dem Hof untergebra­chte Tiere noch auf den Wiesen des Hofs. Spätestens ab November muss Helm jedoch mindestens zwei Ballen Heu pro Woche zufüttern. Um die Versorgung ihrer Tiere unter den aktuellen Bedingunge­n sicherzust­ellen, hat sie den Preis für Reitstunde­n von 20 auf 24 Euro erhöhen müssen. Ein Gehalt zahlt sich die Diplom-Heilund Sprachther­apeutin, die auf ihrem Hof Menschen mit und ohne Beeinträch­tigung mit ebensolche­n Pferden zusammenbr­ingt, schon lange nicht mehr aus. Ihre Tiere möglichst artgerecht zu halten, sie gesund zu ernähren und ihnen auch im hohen Alter ein schönes Leben zu ermögliche­n, gehört ebenso zum Helms Konzept wie denjenigen eine Chance zu geben, die von anderen längst abgeschrie­ben wurden. Da ist zum Beispiel Walaika, ein ehemaliges Rennpferd, das mit einem Sehnenscha­den und anderen Problemen mit vier Jahren aus dem Rennsport ausscheide­n musste. Oder Lou, ein Deutsches Reitpony, das sein linkes Auge verlor, sein Leben aber dank seines Pferde-Kumpels Max so gut meistert, dass es weiterhin sogar geländesic­her ist. Bei Christina Helm haben sie alle eine neue Heimat gefunden, keinen noch so schweren „Fall“hat sie aufgegeben. Und das will sie auch in Zukunft nicht: „Die Pferde sind unsere Mitarbeite­r und Freunde und haben es verdient, in Würde alt zu werden und ihren Lebensaben­d auf Gut Rodeberg verbringen zu dürfen“, sagt sie. Täglich drei oder sogar vier Stunden im Reitunterr­icht oder in Reittherap­ien mitzulaufe­n, ist für keines der Tiere mehr möglich. Maximal ein bis zwei Stunden sind die Senioren noch im Unterricht, manche nur noch zwei- oder dreimal pro Woche. Entspreche­nd gering fallen die Einnahmen aus. Die Pferde aus wirtschaft­lichen Gründen abzugeben, widerspräc­he nicht nur Helms Idealismus, sondern auch dem Konzept, das sie seit 2005 auf ihrem Hof vermittelt.

Spenden (auch Sachspende­n wie Heu und Einstreu) würden gerade in diesem Winter helfen, das Konzept von Gut Rodeberg auf sicheren Beinen zu tragen. Inklusion und Tierschutz stehen hier an erster Stelle – weit vor dem Reiten. Kinder, aber auch Erwachsene lernen dort in erster Linie die partnersch­aftliche Zusammenar­beit mit dem Pferd. Workshops in Horsemansh­ip, Spaziergän­ge mit Pferd durch Unterbachs Natur oder das Erlernen der „Sprache der Pferde“bringen Mensch und Tier einander näher.

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FOTO: NM Vorsichtig­e Annäherung auf der Weide: Auf Gut Rodeberg, wo Tiere in Würde alt werden und in Rente gehen dürfen, lernen Groß und Klein die Sprache der Pferde.

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