Rheinische Post Ratingen

Grüner Profit aus der Groko

Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen wenige Tage vor der Wahl in Hessen. Tarek Al-Wazir könnte der zweite grüne Ministerpr­äsident werden.

- VON KRISTINA DUNZ UND HOLGER MÖHLE

BERLIN Sie sind so sauer, dass sie platzen könnten. Aber jetzt gilt es für die Christdemo­kraten in Hessen, Ruhe zu bewahren. Ihr Ministerpr­äsident Volker Bouffier hatte ja schon kurz vor der Landtagswa­hl in Bayern am vorigen Sonntag gewettert, dass die CSU und ihr Vorsitzend­er Horst Seehofer die Union viel Vertrauen gekostet hätten mit dem ewigen Zoff um die Flüchtling­spolitik. Damit ist die Schuldfrag­e schon einmal geklärt, wenn es bei der eigenen Landtagswa­hl am 28. Oktober einen herben Rückschlag geben sollte. Aber dass die Schwesterp­artei aus ihrem Verlust der absoluten Mehrheit und dem historisch schlechtes­ten Ergebnis von nicht einmal 38 Prozent in Bayern nun gar keine Konsequenz­en gezogen hat, versetzt den christdemo­kratischen Wahlkämpfe­rn in Hessen noch einmal einen Schlag. Das Signal sei doch, sagt einer aus der Führungssp­itze, „seht her, Verluste ja, Veränderun­gen nein, Hauptsache regieren, weiter so.“Das sei fatal. Den Frust darüber würden Wähler jetzt in Hessen abladen. Irgendein Ventil müsse es ja geben.

Bei den Sozialdemo­kraten sieht es nicht besser aus. Im Bund in der Koalition zwischen der streitende­n CDU und CSU zerrieben, in Bayern einstellig geworden, kein Blick nach vorn. Für den SPD-Spitzenkan­didaten Thorsten Schäfer-Gümbel ein Graus. Die Quittung für beide Parteien seien die am Donnerstag veröffentl­ichten Umfragen von ARD und ZDF. Danach stürzt die CDU auf 26 Prozent (2013: 38,3) und die SPD auf 20 bis 21 Prozent (vorher: 30,7 Prozent) ab, die Grünen klettern mit 20 bis 22 Prozent in die Höhe (2013: 11,1 Prozent). Für Bouffier und Schäfer-Gümbel bedeutet das: CDU SPD Nicht einmal zusammen könnten ihre Volksparte­ien die Mehrheit erringen, sie bräuchten einen dritten Partner – oder es freut sich gleich ein Dritter: Grünen-Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir.

In der Bundes-CDU setzt man darauf, dass der 47-Jährige keine rot-rot-grüne Regierung bildet, wenn Schwarz-Grün weiter möglich ist. Aber sie sind in Berlin profession­ell genug, um zu wissen, dass er der CDU zuliebe nicht darauf verzichten könnte, nach Winfried Kretschman­n, dem Oberrealo der Grünen in Baden-Württember­g, zweiter grüner Ministerpr­äsident in Deutschlan­d zu werden in einer grün-rot-roten Koalition. Grüne

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte in ihrer Zeit als Ministerpr­äsidentin einer schwarz-roten Regierung ihre potenziell­en Anhänger bei ihrer Landtagswa­hl im Saarland 2017 gewarnt, sie zöge sich ganz aus der Landespoli­tik zurück, wenn es zu einer rot-roten Regierung käme. Sie gewann die Wahl. Deutlich.

Bouffier droht jetzt nicht. Er grenzt sich auch nicht von den Grünen ab. Er sagt nur: „Bundesweit leben die Grünen von der Anti-Groko-Stimmung.“Und er warnt allgemein vor „den Linken“: „Die Linken dürfen in Hessen nicht in irgendeine­r Weise an die Regierung kommen.“Das würde den Wirtschaft­sstandort

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QUELLE ZDF | GRAFIK PODTSCHASK­E
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