Warteland Deutschland
In Deutschland als Geflüchteter anzukommen, heißt vor allen Dingen: warten. Das beginnt direkt nach der Registrierung. Warten auf das Interview, in dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge feststellt, ob das Asylbegehren rechtens ist. Klagt der Geflüchtete gegen einen negativen Bescheid, wartet er mindestens ein Jahr auf sein Gerichtsverfahren. Warten auf Deutsch- und Integrationskurs. Warten auf eine Arbeitserlaubnis. Warten auf eine eigene Wohnung.
Geflüchtete mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis warten am Ende der Zeit auf die Verlängerung. Andere sind inzwischen ausgebildet und wertvolle Arbeitskräfte in Betrieben, ihre Aufenthaltsberechtigung läuft aus:
Sie warten, was aus ihnen wird. Dazu kommen die täglichen Warteschleifen: Das Warten bei Ämtern und Behörden. Aber am Schlimmsten ist das Warten auf die Familie. Meist hat der Ehemann die gefährliche Flucht über Land oder die Mittelmeerroute gewagt. Wegen der begrenzten Familienzusammenführungen wartet er sehnsüchtig auf den Bescheid der Botschaft, dass seine Frau und Kinder kommen dürfen.
Bundestagspräsident Schäuble, der zweite Mann im Staat, hat sich Ende September 2018 für mehr Realismus und stärkere Integrationsanstrengungen ausgesprochen: „Wir sollten uns klar machen, wie schwer es ist, im Einzelfall abzuschieben. Deswegen sollten wir auch nicht allzu stark die Hoffnung schüren, dass wir die Großzahl dieser Menschen zurückführen können . ... Eher sollten wir alle Kraft dafür aufbringen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.“Aufgabe sei es aber auch, den Schleppern das Handwerk zu legen. Kirchliche Mitarbeiter berichten: Das endlose Warten zermürbt und demotiviert die geflüchteten Menschen. Es erschwert ihre Integration.
Wer die Integration von Geflüchteten will, muss die Wartezeiten verkürzen. Die meisten Menschen, die hier sind, werden bleiben. Wenn wir sie warten lassen, schaden wir ihnen. Wir fügen aber auch uns und unserem Land Schaden zu.
Pfarrer Gert Ulrich Brinkmann