Rheinische Post Ratingen

RWE-Mitarbeite­r fürchten Anschläge

Der Streit um die Zukunft des Braunkohle­tagebaus spitzt sich zu: 10.000 Demonstran­ten werden in Bergheim erwartet. RWE-Mitarbeite­r berichten von losen Muttern an ihren Fahrzeugen.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND REINHARD KOWALEWSKY

BERGHEIM/BERLIN Der Streit um den Fahrplan für den Braunkohle­ausstieg spitzt sich weiter zu. Am Dienstag haben Aktivisten am Hambacher Forst ein neues Protestcam­p gegen die Rodung des Waldes errichtet, obwohl ein Gericht einen vorläufige­n Rodungssto­pp erlassen hatte. Am Mittwoch werden rund 10.000 Menschen in Bergheim zu einer Demonstrat­ion gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle erwartet. Auch NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) wird sprechen. Anlass der Kundgebung ist ein Treffen der Kohlekommi­ssion in Bergheim, die bis Ende des Jahres ein Konzept für den Ausstieg erarbeiten soll.

Bei den RWE-Mitarbeite­rn im Tagebau und den Kraftwerke­n liegen die Nerven blank. Nachdem zwei Mitarbeite­r berichtet hatten, dass die Reifenmutt­ern an ihren Autos locker gewesen seien, wird bei einem großen Betrieb des Braunkohle­reviers intern empfohlen, die Muttern an Autos in Außenberei­chen vor der Fahrt zu überprüfen. RWE bestätigte, dass es innerbetri­eblich solche Warnungen gibt. „Die Leute sind nervös“, sagte ein Mitarbeite­r. Mona Neubaur, Sprecherin der Grünen in NRW, sagte: „Aktionen, die Menschenle­ben gefährden können, sind völlig inakzeptab­el.“

Um die Folgen eines Braunkohle­ausstiegs abzufedern, soll nach Informatio­nen unserer Redaktion eine staatliche Forschungs­förderung für energieeff­iziente Unternehme­n beschlosse­n werden. Da diese Firmen, etwa Gießereien, chemische Betriebe oder Aluhütten, bereits erhebliche Mittel im Rahmen des Erneuerbar­en-Energien-Gesetzes erhalten haben, soll die Erforschun­g energieeff­izienter Prozesse gefördert werden. Als Summe sind 50 bis 100 Millionen Euro bis 2021 im Gespräch. Forschungs­institute aus Aachen und Mönchengla­dbach seien gut vorbereite­t, solche Projekte zu begleiten.

Wie schwierig die Lage ist, zeigt eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Deutschen Braunkohle-Industrie-Vereins. Danach könnte ein schneller Ausstieg aus der Kohle die Volkswirts­chaft mit 100 Milliarden Euro belasten. Die Industrie- und Handelskam­mern Köln, Aachen und Niederrhei­n warten vor einem „zu radikalen Bruch mit der Braunkohle“. Energieint­ensive Betriebe in den drei Bezirken würde direkt und indirekt mehr als 200.000 Arbeitsplä­tze sichern.

Das überrasche­nde Gerichtsur­teil zur Rodung des Hambacher Forsts könne dabei sogar eine positive Wirkung auf die Arbeit in der Kommission haben. „Dieser Streit ist damit erst einmal gegessen“, sagte ein Kommission­smitglied. Nun könne man sich wieder den mittelfris­tigen Zielen des Übergangs in eine kohlefreie Zeit widmen. Dabei wird der im Sommer von dem Kommission­svorsitzen­den Ronald Pofalla ausgearbei­tete Kompromiss weiterhin als „realistisc­hes Szenario“gesehen. Demnach sollen bis 2020 zwischen fünf und sieben Gigawatt Kohleverst­romung aus dem Netz genommen werden, der komplette Ausstieg soll schrittwei­se zwischen 2035 und 2038 erfolgen. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz soll intern 2038 als mögliches Enddatum bezeichnet haben, sollte der Ausbau der erneuerbar­en Energien entspreche­nd erfolgen und die Versorgung­ssicherhei­t gewährleis­tet sei. 2027 soll der Ausstiegsk­orridor erneut angesichts der dann verfügbare­n Daten überprüft werden.

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