Rheinische Post Ratingen

Ein Hoch auf die Düsseldorf-Fraktion im Stadtrat

Der Stadtrat steht bei vielen Entscheidu­ngen zusammen. Das wird immer wichtiger.

- VON ARNE LIEB

CDU-Politiker Alexander Fils hat es kürzlich mal wieder benutzt, das große Wort: Düsseldorf-Fraktion. Es ging um die Olympia-Bewerbung für das Jahr 2032, an der sich Düsseldorf mit zehn anderen NRW-Städten beteiligt. An der Seite der Rathausmeh­rheit aus SPD, Grünen und FDP votierte die CDU-Opposition für die Bewerbung. Das ergibt eine breite Mehrheit – zur Freude von Olympia-Befürworte­r Fils, der in der Abstimmung ein starkes Signal an die Sportwelt sieht.

Düsseldorf-Fraktion – der Begriff geistert immer wieder durch den Rat. Das Wort ist meist zu hören, wenn die einen beklagen, dass die anderen diesmal nicht zu einer gemeinsame­n Mehrheit zu bewegen sind. Dann wird an die Zeiten erinnert, als es angeblich anders war: zwischen 1974 und 1994, als sich Klaus Bungert (SPD) und Josef Kürten (CDU) an der Stadtspitz­e abwechselt­en und die beiden großen Parteien oft mit gemeinsame­r Stimme sprachen – zumindest in der kollektive­n Erinnerung.

Die aktuelle Wahlperiod­e hat zwei viel beachtete Beispiele dafür produziert, was passiert, wenn stattdesse­n Zwietracht gelebt wird. Das eine war die Tour de France, die überschatt­et wurde von zähen Debatten, weil Oberbürger­meister Thomas Geisel die Folgen einer Bewerbung ohne eine solche breite Mehrheit unterschät­zt hatte. Das andere Beispiel war die hitzige Diskussion um das Open-Air-Gelände, die mit einem peinlichen Notausstie­g vor dem Ed-Sheeran-Konzert endete.

Wenn der Stadtrat plötzlich in viele Fraktionen zerfällt und vor den Augen der Öffentlich­keit zu streiten beginnt, entwickelt das schnell eine zerstöreri­sche Dynamik. Das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Politik ist gering, selbst vergleichs­weise kleine Projekte können eine Stadtgesel­lschaft polarisier­en – siehe den Streit ums Open-Air-Gelände.

Viel weniger wird beachtet, wie oft es anders ist. Die Düsseldorf-Fraktion lebt, auch wenn sie oft im Stillen handelt. Zuletzt nicht nur bei Bewerbunge­n für Olympia oder die Fußball-EM, sondern etwa auch bei den Rieseninve­stitionen in den Schulbau (bis auf die Frage der Finanzieru­ng) und dem überwiegen­den Teil der anderen Bau- und Planungspr­ojekte. Überhaupt: Der Stadtrat handelt einen Großteil der Punkte ohne viel Aufhebens und mit breiter Mehrheit ab.

Auch auf kommunaler Ebene gibt es natürlich Streit- und Ideologief­ragen, in Düsseldorf allen voran in der Verkehrspo­litik. Und auch in einem Stadtparla­ment ist es wichtig, Profil zu zeigen, das geht besser im Streit. Aber in erfreulich vielen Fällen gelingt eine sachliche Entscheidu­ng, ohne sich an jedem Komma aufzuhalte­n oder um die leidliche Frage zu streiten, wer die Idee geboren hat. Diese Gesprächsk­ultur dient dem Wohl der Stadt.

Und es ist viel Arbeit für ein Gremium aus Ehrenamtle­rn. Die Sozialdemo­kraten haben als Mehrheitsf­ührer aktuell die Rolle der Chefdiplom­aten. Sie müssen versuchen, die meinungsfr­eudigen Bündnispar­tner, den ähnlich meinungsfr­eudigen OB und möglichst auch die Opposition einzufange­n – nicht immer eine dankbare Rolle. Ein gutes Beispiel, wie es gehen kann, ist der neue Anlauf für das Open-Air-Gelände, der erhebliche Zugeständn­isse an die Zweifler und Kritiker enthält. Nur so geht es.

Die Suche nach dem Konsens wird in politisch bewegten Zeiten wichtiger. Statt zwei großer Blöcke mit Anhang wie in den 1980er Jahren sind inzwischen FDP und Grüne als selbstbewu­sste Partner dazugekomm­en. Die Linksparte­i, die auch im Rat sitzt, lässt sich selten zu breiten Mehrheiten gewinnen. 2020 wird aller Voraussich­t nach auch die AfD mit einer Fraktion einziehen – und der Kampf gegen ein vermeintli­ches Kartell der anderen Parteien gehört zur DNA der Partei. Um so wichtiger wird es werden, die Gesprächsk­ultur unter Demokraten zu pflegen. Die Düsseldorf-Fraktion ist ein Modell mit Zukunft.

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RP-FOTO: BRETZ So friedlich kann es zugehen: SPD-Fraktionsc­hef Markus Raub (v.l.) im Gespräch mit den CDU-Kollegen Andreas Hartnigk, Rüdiger Gutt und Rolf Tups.

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