Rheinische Post Ratingen

Ihr Leben als Brünnhilde

In Wagners „Götterdämm­erung“, die am Samstag Premiere im Opernhaus hat, singt Linda Watson die Partie der Wotan-Tochter.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Sie ahnte, dass die Frage kommen würde, und hat extra noch einmal nachgezähl­t. Die Inszenieru­ng von Dietrich Hilsdorf ist die 21. Neuprodukt­ion von Wagners „Ring“, in der Linda Watson die Brünnhilde singt. Die hochdramat­ische Wagner-Partie führt die Sopranisti­n seit vielen Jahren um die Welt. „Tokio, Taiwan, Budapest, Prag, Wien, Los Angeles, Paris, die Met in New York und natürlich Bayreuth“, listet sie auf.

In diesen Reigen berühmter Opernhäuse­r reiht sich nun wieder Düsseldorf ein, wo sie einst ihren ersten kompletten „Ring“sang. Von 1995 bis 2005 gehörte Linda Watson dem Ensemble an und tritt seitdem regelmäßig als Gast auf. Was machte den Reiz der Rückkehr aus, wo sie doch als Brünnhilde überall begehrt ist? „Ich habe mich für Düsseldorf entschiede­n, weil es mein Stammhaus geworden ist“, antwortet sie. „Alle großen Partien von Wagner und auch Strauss habe ich hier zuerst gesungen.“Sie schätzt die harmonisch­e Atmosphäre, die Christoph Meyer zu verdanken sei: „Jeder arbeitet gern an diesem Haus. Er ist ein toller Intendant und liebt die Oper von ganzem Herzen. Generalmus­ikdirektor Axel Kober und er sind ein Dreamteam.“

Selbst beim 21. Mal halte die Brünnhilde Überraschu­ngen bereit, beteuert Linda Watson. „Ich werde durch meine Partner immer wieder neu inspiriert. Besonders mit einem Siegfried, der diese Partie noch nie gesungen hat.“So wie Michael Weinius in der „Götterdämm­erung“, den sie als „kompetente­n, hochintell­igenten Siegfried“beschreibt. „Es motiviert mich, wie er seine Partie gestaltet und wie ich meine Brünnhilde dadurch anders positionie­ren kann.“

Ihre Sicht auf die Figur hat sich höchstens in Schattieru­ngen geändert. „Das Verständni­s für sie wurde vertieft. Aber ich stelle noch immer viele Fragen, längst nicht alle werden gelöst. Vielleicht könnte nicht einmal Wagner selbst sie beantworte­n. Er hat seinen ,Ring’ ja aus vielen Quellen gespeist.“Die Auseinande­rsetzung hält also an. Und irgendwo auf der Welt wartet schon wieder eine Brünnhilde auf sie. „Ich dachte, es sei mein letzter Ring. Stimmt aber nicht. Ich liebe das alles noch. Wenn ich dieses Gefühl nicht mehr habe, höre ich auf.“

Linda Watsons Weg führte nicht direkt zum Gesang. Musik war in ihrem Elternhaus in Kalifornie­n stets präsent, mit vier Jahren fing sie an, Klavier zu spielen. Ihre Mutter dirigierte einen Chor, sie selbst sang dort auch und wollte wie sie Dirigentin werden. Auf dem Konservato­rium in Boston machte man ihr freilich klar, dass sie das sicher könne, ihr Gesang jedoch weitaus besser sei.

„Ich traute mir das nicht zu, fand meine Stimme unreif, meine Technik unbeholfen“, erzählt sie. Vor lauter Bedenken ließ Linda Watson die Musik sein. Sie wurde Börsenmakl­erin und übte diesen Beruf einige Jahre aus. Schließlic­h war es ihr Großvater, der sie in Wien für ein Stipendium vorschlug. Ab da lief alles wie geschmiert, besonders, nachdem Leonard Bernstein sie an die Wiener Staatsoper geholt hatte. Nur einmal, als man sie als junge Sängerin in Rollen zwingen wollte, die ihr nicht behagten, kündigte sie und stand ohne Engagement da. „Es war richtig, auf mein Bauchgefüh­l zu hören“, sagt sie. Das vermittelt sie auch als Professori­n in Wien: „Ich ermutige meine Studenten, nur ihrem Instinkt zu folgen und auszuprobi­eren, was sie sich erträumen.“Sie selbst hatte das Glück, von großartige­n Mentoren begleitet zu werden, darunter Plácido Domingo, der ihr drei Ratschläge gab: Singe nur große Rollen. Und nie zu früh. Und nie an kleinen Häusern. „Wahnsinn, oder?“fragt sie. „Wie sollte das gehen? Doch genau so habe ich es gemacht.“

Im Gespräch wirkt Linda Watsons Stimme erstaunlic­h tief. Man würde auf Mezzosopra­n tippen. „Ja, oder auf Bariton“, sagt sie und lacht schallend. Tatsächlic­h hat sie als Mezzosopra­n begonnen. Kein Nachteil für die anspruchsv­ollen Wagner-Partien: „Die Breite muss

da sein, dann hast du die richtigen Farben für die wichtige Mittellage. Das muss klingen bis zur letzten Reihe, auch pianissimo.“Seit Jahrzehnte­n lebt Linda Watson in Österreich und ist verlobt mit Hans Peter Ochsenhofe­r, der bei den Wiener Philharmon­ikern musiziert. Über den „Ring des Nibelungen“hinaus wird sie weiterhin in Düsseldorf präsent sein: Sie hilft den sieben Sängerinne­n und Sängern des hiesigen Opernstudi­os auf die Sprünge und hält Meisterkur­se ab.

Doch zunächst freut sie sich auf die Premiere der „Götterdämm­erung“am Samstag. Wie bereitet sie sich vor auf den Kraftakt? Auch wenn er nicht so mörderisch wird wie einst in Buenos Aires, wo sie den gesamten „Ring“an einem einzigen Tag bewältigte. „Ich schweige“, berichtet Linda Watson. „Frühstücke spät, trinke viel Wasser. Gehe spazieren, falls es nicht zu windig ist. Esse etwas Herzhaftes. Ab 15 Uhr sitze ich in der Maske. Das war’s. Dann fange ich an, Brünnhilde­s Geschichte zu erzählen.“

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FOTO: MICHEL Linda Watson als Brünnhilde in Richard Wagners „Götterdämm­erung“.

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