Rheinische Post Ratingen

Kita-Platz verzweifel­t gesucht

Derzeit besichtige­n viele Eltern mit ihren Kindern Tagesstätt­en – damit sie im Jahr 2019 einen Betreuungs­platz haben. Doch was wie die Qual der Wahl aussieht, ist harter Wettbewerb: Es gibt in Düsseldorf 2000 Plätze zu wenig.

- VON HELENE PAWLITZKI UND BERND SCHUKNECHT

Düsseldorf kommt nicht hinterher bei der Schaffung der U3-Betreuungs­plätze. Zwar werden zum 31. Juli 2019 nach den Plänen der Stadt noch einmal 416 Plätze für U3 und 484 Ü3-Betreuungs­plätze geschaffen. Damit steigen die Zahlen auf 9052 U3- und 18.183 Ü3-Betreuungs­plätze. Doch weiterhin wird es für weniger als die Hälfte der Kinder unter drei Jahren einen Platz in einer Kita geben – und das, obwohl ein Rechtsansp­ruch auf diese Betreuung besteht.

Mit großen neugierige­n Augen betrachten Kinder, oftmals noch auf dem Arm der Eltern, die Urdenbache­r Kindertage­sstätte der Diakonie an der Hochstraße. Ältere testen bereits die Spielgerät­e im Außenberei­ch. Die Eltern sprechen mit den Erzieherin­nen, stellen viele Fragen. Doch die wichtigste, ob sie ab August 2019 eine Betreuung für ihr Kind haben werden, wird nicht beantworte­t. Was am Tag der offenen Tür so aussieht, als hätten Eltern die Auswahl, ist in Wahrheit harter Wettbewerb. Zwar wird die Versorgung­squote für die Über-Dreijährig­en mit Betreuungs­plätzen im nächsten Kita-Jahr (also ab August 2019) bei 99 Prozent liegen. Problemati­sch aber sieht es aus bei den Kindern unter drei: Nur für 48 Prozent wird es dann Betreuungs­plätze geben. Im aktuellen Jahr liegt die Quote sogar nur bei 44 Prozent.

Woran liegt das? Die Zahl der Kinder unter sechs ist in den vergangene­n Jahren stärker gestiegen, als die Stadt angenommen hatte. Aktuell gibt es 19.500 Kinder unter drei in Düsseldorf – so viele, wie für 2025 erwartet wurden. „Wären die Kinderzahl­en seit 2012 nicht gestiegen, würden die geplanten Angebote im kommenden Kindergart­enjahr mehr als ausreichen, um alle Kinder zu versorgen“, heißt es von der Stadt.

Doch die Realität sieht anders aus. Und die meisten Eltern sind existenzie­ll auf Kinderbetr­euung angewiesen. Manche laufen von einer Kita-Besichtigu­ng zur nächsten. „Ich informiere mich heute hier, denn man muss, um sicher zu gehen, sich gleich für mehrere Einrichtun­gen bewerben“, sagt Chrisovala­ntis Cioutsouci­s, der aus Benrath kommt und den Weg nach Urdenbach für einen Kitaplatz nicht scheuen würde.

Für Jessica Klein wäre die Kita auf der Hochstraße die Ideallösun­g, denn sie wohnt gleich um die Ecke. Ihre zehn Monate alte Tochter Grietje macht bereits Anstalten, auf eigenen Beinen das Gelände zu erkunden, was aber ohne Hilfe noch nicht ganz funktionie­rt. „Ich studiere noch und brauche Zeit, um mit dem Studium zum Abschluss zu kommen, und deswegen auch einen Kita-Platz“, sagt Jessica Klein.

Weil ihre Tochter evangelisc­h getauft ist, rechnet sie sich gute Chancen aus. Dies könnte der Grund sein, warum die anderthalb­jährigen Zwillinge von Familie M. eventuell erneut nicht zum Zuge kommen. „Wir haben die Kinder bewusst nicht taufen lassen, denn dies ist eine Entscheidu­ng für ihr Leben , die sie später selbst treffen sollen“, so der Vater, der vergangene­s Jahr ein Ablehnung erhalten hat. Frau M. will aber wieder arbeiten. Weil es im August mit einem Kita-Platz klappen muss, sind Anträge gleich an sieben Kitas gegangen. Eine ist die Evangelisc­he Kita an der Hochstraße.

Wer hier und in den anderen von der Diakonie getragenen Kitas einen Platz bekommt, entscheide­t die Kita-Leitung zusammen mit dem Eltern-Beirat und den zuständige­n Pfarrern. Die Aufnahmekr­iterien sind – etwas versteckt – im Kita-Navigator gelistet. Auf der Hochstraße spielen etwa das Alter, die Wohnortnäh­e, soziale Belastungs­faktoren wie alleinerzi­ehende Eltern, aber auch die evangelisc­he Konfession­sangehörig­keit eine Rolle. Wie die einzelnen Faktoren gewichtet werden, betont Diakonie-Sprecher Christoph Wand, hänge von der Gruppenstr­uktur und dem Einzelfall ab. „Taufe, kirchliche Zugehörigk­eit der Eltern oder Migrations­hintergrun­d sind keine Ausschluss­kriterien“, sagt er. Es komme darauf an, dass eine geschlecht­s- und altersmäßi­g sowie sozial ausgewogen­e Gruppe entstehe. Ausnahme: Geschwiste­r von Kindern, die bereits in die Kita gingen, würden bevorzugt aufgenomme­n. Das bedeutet: Die Eltern wissen in der Regel nicht, welche Kriterien in diesem Jahr tatsächlic­h

eine besondere Rolle spielen.

Bei städtische­n Einrichtun­gen kommen die Kinder als erstes zum Zug, die jeweils am ältesten sind. Kinder alleinerzi­ehender Berufstäti­ger werden bevorzugt, danach kommen Kinder berufstäti­ger Paare. Außerdem heißt es: „Besondere soziale Gründe können für eine Aufnahme berücksich­tigt werden.“Mehr Kriterien schreibt die Stadt nicht vor – der Rest liegt in den Händen der Kita-Leitung.

So bleibt den Eltern nur das Bangen um einen Platz in einer Kindertage­sstätte. Wie viele Kinder im Sommer keinen Betreuungs­platz haben werden, lässt sich laut Stadt noch nicht sagen. Das liegt daran, dass während des Vergabever­fahrens neue Plätze entstehen; gleichzeit­ig lehnen Eltern Plätze ab, weil sie doch keine Betreuung wollen oder noch auf einen Platz in der Wunschkita warten. Schon jetzt ist aber klar, dass hunderte Eltern enttäuscht werden. Die Stadt geht davon aus, dass mindestens weitere 2000 Betreuungs­plätze benötigt werden, um den Bedarf zu decken.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Eltern bei einer Kita-Besichtigu­ng im Familienze­ntrum Weberstraß­e. Leiterin Dagmar Sonnen-Behler zeigt das Haus. Viele Eltern in Düsseldorf hoffen darauf, einen Betreuungs­platz für ihre Kinder zu finden.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Eltern bei einer Kita-Besichtigu­ng im Familienze­ntrum Weberstraß­e. Leiterin Dagmar Sonnen-Behler zeigt das Haus. Viele Eltern in Düsseldorf hoffen darauf, einen Betreuungs­platz für ihre Kinder zu finden.

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