Rheinische Post Ratingen

„Das Luther-Jahr wirkt heute noch nach“

Der aus Mettmann stammende Sprecher der Ev. Kirche im Rheinland spürt Aufwind für die Ökumene.

- DIE FRAGEN STELLTE PETER CLEMENT.

Herr Iven, am Mittwoch ist Reformatio­nstag. 2017 wurden 500 Jahre Reformatio­n gefeiert und am 31. Oktober erreichte das Luther-Jahr seinen Höhepunkt. Der Reformatio­nstag wurde als einmalige Ausnahme sogar zu einem bundesweit­en Feiertag. Es gab viele Veranstalt­ungen – hat Sie irgendetwa­s davon besonders beeindruck­t? Iven Da gab es vieles. Bei den Veranstalt­ungen haben mich allerdings vor allem unsere Gottesdien­ste beeindruck­t, die wir außerhalb der Örtlichkei­t Kirche veranstalt­et haben. 95 davon gab es, einige habe ich besucht. Und das wohl beeindruck­endste Erlebnis hatte ich in einer Kneipe im Ruhrgebiet, wo der Pfarrer derart wortmächti­g predigte, dass man Gänsehaut bekommen konnte.

Auch Luther soll ja sehr wortgewalt­ig gewesen sein . . .

Iven Das stimmt zweifellos, dennoch warne ich davor, die Person zu überhöhen. Die Gefahr besteht gerade in solch einem Jubiläumsj­ahr. Luther hat große Verdienste, gerade was die Vermittlun­g des Glaubens an die einfache Bevölkerun­g betrifft. Er hat auch jenen Bildung ermöglicht, die nicht im Adelsstand geboren worden waren. Aber er war auch ein Mann mit Defiziten. Sein Antijudais­mus gerade in der späteren Schaffensp­hase ist schlicht untragbar. Was die Person Martin Luther angeht, sollte man die Kirche also im Dorf lassen.

Früher hat die evangelisc­he Kirche Jubiläen dieser Art meist in Abgrenzung zu anderen gefeiert. Das Luther-Jahr stand ausdrückli­ch unter dem Wunsch, Ökumene möglich zu machen. Hat das funktionie­rt?

Iven Absolut. Ich glaube sogar, dass dieser Aspekt am deutlichst­en von allen Jubiläums-Facetten in diesem Jahr nachwirkt und weiter aufgegriff­en wird. Früher durfte ein Vertreter der anderen Konfession zwar hin und wieder auch schon einmal predigen – doch das Jubiläumsj­ahr hat noch einmal ganz deutlich gemacht, dass man die Unterschie­de zwischen Protestant­en und Katholiken durchaus auch ansprechen kann, gleichwohl aber den Respekt voreinande­r in den Vordergrun­d stellt.

Jetzt haben wir 2018, das Luther-Jahr ist vorbei. Wo erfahren Sie heute noch Erlebnisse, die Sie daran erinnern?

Iven Ich predige öfters noch in Mettmann, der Stadt, in der ich aufgewachs­en bin und lange gelebt habe.

Und wenn ich das auf dem Benninghof tun kann, freue ich mich immer besonders. Dort leben und arbeiten geistig behinderte Menschen. Fast nirgendwo sonst sind die Rückmeldun­gen auf meine Worte so aufrichtig und unmittelba­r. Das geht so weit, dass es in Zwischenru­fen schon mal lautstark heißt: „Das kann doch nicht sein.“Oder auch: „Das hat uns unsere Pfarrerin vergangene Woche aber anders erklärt.” Dieser Dialog mit Menschen, die eben nicht theologisc­h besonders geschult sind oder zur Bildungssc­hicht gehören, tut mir unheimlich gut, weil er so ehrlich ist. Und damit sind wir dann doch irgendwie auch im Jahr 2018 wieder bei Martin Luther.

 ?? FOTO: EPD ?? 800 bunte Lutherfigu­ren zierten 2010 bei einer Aktion des Künstlers Ottmar Hörl den Marktplatz vor dem Wittenberg­er Rathaus.
FOTO: EPD 800 bunte Lutherfigu­ren zierten 2010 bei einer Aktion des Künstlers Ottmar Hörl den Marktplatz vor dem Wittenberg­er Rathaus.
 ?? FOTO: MNA ?? Jens-Peter Iven zu Hause; mit Kirchenban­k am Essplatz.
FOTO: MNA Jens-Peter Iven zu Hause; mit Kirchenban­k am Essplatz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany