Rheinische Post Ratingen

Die nicht ganz so beschleuni­gte Erneuerung der SPD

- VON JAN DREBES

BERLIN Nicht nur in Satiresend­ungen gehen die meisten Späße derzeit auf Kosten der SPD. Auch in den üblichen Talkshows stellen die Genossen ein leichtes Opfer dar. Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Die einst große SPD liegt derzeit bei 13 Prozent in den Umfragen. Eigentlich dürfte da kein Stein auf dem anderen bleiben.

Parteichef­in Andrea Nahles und ihre Kollegen in Präsidium und Vorstand versuchten jedoch am Montag, zum Ende einer zweitägige­n Klausur, ebendiese Erwartung zu zerstreuen. Revolution? Radikalkur? Mitnichten. Stattdesse­n setzen die Sozialdemo­kraten weiter auf einen Prozess, der ihnen erst bei einem Parteitag im Dezember 2019 Klarheit über ein neues Programm und möglicherw­eise über eine neue Führungsma­nnschaft geben wird.

Doch auf dem Weg dorthin muss die SPD bei gleich fünf Wahlen beweisen, dass sie kampagnenf­ähig ist und Lehren aus den Wahlpleite­n im vergangene­n und diesem Jahr gezogen hat. Mit Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) bestreiten die Genossen Ende Mai die Europawahl, gleichzeit­ig stimmen die Bremer über eine neue Landesregi­erung ab, im September folgen Brandenbur­g und Sachsen und im Oktober Thüringen. Will die SPD bei diesen Wahlen nicht ebenso drastische Verluste wie bisher einfahren, muss sie vorher zu klaren Botschafte­n, Ideen, Visionen gefunden haben.

Davon aber kann derzeit noch keine Rede sein. Am Sonntag und Montag, so hieß es, wurde in der engeren Parteiführ­ung und im Vorstand vielmehr eine Grundsatzd­ebatte geführt. Dass Nahles bei der Pressekonf­erenz buchstäbli­ch Rückendeck­ung von ihren Präsidiums­kollegen bekommen musste, die alle hinter ihr auf der Bühne standen, machte vor allem eins deutlich: dass die Parteiführ­ung sich sehr wohl darüber im Klaren ist, wie stark Nahles und manch einer ihrer Stellvertr­eter in den eigenen Reihen angezählt wird.

Ein Diskussion­spapier, das Nahles vor einer Woche präsentier­t hatte, spielte nun jedoch nur eine untergeord­nete Rolle. Ihre Denkanstöß­e für das Konzept vom „Sozialstaa­t 2025“wurden nicht in der Führungsru­nde weiterentw­ickelt. Dafür planen die Genossen ein aufwendige­s Debattenca­mp am kommenden Wochenende und lassen noch bis Dezember spezielle Lenkungsgr­uppen zu einzelnen Themenbere­ichen arbeiten. Die Ergebnisse sollen gebündelt bei einer Klausur im Februar besprochen und zumindest als ein Rahmen beschlosse­n werden, es folgen dann noch Online-Diskussion­en, acht regionale Debattenca­mps im Sommer 2019 und eine weitere Vorstandsk­lausur im September.

Forderunge­n von Nahles aus der vergangene­n Woche, diesen Erneuerung­sprozess zu beschleuni­gen, scheinen nun aber zu verpuffen, da die Partei an ihrem bisherigen Zeitplan festhalten will. Der Vorsitzend­e der Jusos, Kevin Kühnert, hatte darauf gedrungen, den Parteitag auf das Frühjahr vorzuziehe­n. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit. Das Argument dagegen: Dann würde bis dahin nur über Personal geredet, weil auch die Führungssp­itze sich turnusgemä­ß zur Wahl stellen muss. Nahles sagte nun, man habe sich untergehak­t. Ein Austritt der SPD aus der großen Koalition sei kein Thema gewesen.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel forderte unterdesse­n: „Die Formulieru­ng ‚Wir müssten mal‘ muss aus unserem Sprachscha­tz gestrichen werden.“Es gehe darum, Sicherheit zu geben. „Dazu gehört, dass der bescheiden­e Wohlstand, den man sich im Leben aufgebaut hat, geschützt ist.“So gehe moderner Sozialstaa­t, der Solidaritä­t stärke, sagte Schäfer-Gümbel.

 ?? FOTO: AP ?? SPD-Chefin Andrea Nahles
FOTO: AP SPD-Chefin Andrea Nahles

Newspapers in German

Newspapers from Germany