Der Drogenboss vor Gericht
Joaquín „El Chapo“Guzmán war einer der meistgesuchten Verbrecher. Nun wird dem mexikanischen Ex-Drogenboss in New York der Prozess gemacht. Die Sicherheitsauflagen sind hoch – zu groß ist die Angst vor seiner Macht.
NEW YORK (dpa) Nach rund zwei Jahren im Hochsicherheitsgefängnis in Manhattan hat für den mexikanischen Drogenboss Joaquín „El Chapo“Guzmán der Strafprozess begonnen. Zunächst wurde dabei am Montag am Gericht in New York mit der Auswahl der zwölf Geschworenen begonnen, die aus Sicherheitsgründen anonym über Guzmáns Schicksal entscheiden sollen. Zu groß sei die von Guzmán ausgehende Gewalt, so Richter Brian Cogan.
„El Chapo“erschien in einem blauen Jackett und weißen Hemd. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn waren extrem hoch. Vor dem Gebäude versammelten sich bei trübem Herbstwetter mit Nieselregen Dutzende Reporter und Schaulustige. Der Auswahlvorgang könnte sich über mehrere Tage hinziehen. Der eigentliche Prozessauftakt mit den Eröffnungsplädoyers ist für den 13. November geplant, das Verfahren dürfte mehrere Monate dauern.
Der 61 Jahre alte „El Chapo“, der frühere Chef des Sinaloa-Kartells, verdiente nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften Milliarden. Im Staat Sinaloa an der Westküste sitzt das Herz des mexikanischen Drogenhandels, vor allem Marihuana und Schlafmohn zur Herstellung von Heroin werden dort angebaut. Auch das aus Kolumbien stammende Kokain wird tonnenweise vor allem über Mexiko in die Vereinigten Staaten geschmuggelt.
Guzmán hat mehrere Star-Verteidiger angeheuert. Neben den Anwälten Eduardo Balarezo und William Purpura wird er nun auch von Verteidiger Jeffrey Lichtman vertreten. Zu dessen Mandanten zählte der Sohn von Mafia-Boss John Gotti. In höchstem Tempo arbeiteten sich die Anwälte etwa durch 300.000 Seiten Dokumente.
2017 war „El Chapo“in die USA ausgeliefert worden. Bald zwei Jahre harrt Guzmán nun schon im´n einem Hochsicherheitsgefängnis in New York aus. Die Einrichtung im Süden Manhattans soll härter sein als das Lager Guantánamo auf Kuba. 24 Stunden am Tag verbringt Guzmán in einer 15 Quadratmeter großen, fensterlosen Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrrad-Trainer benutzen darf. Depressionen und Halluzinationen seien die Folge, warnten seine Anwälte. In Mexiko waren Guzmán zuvor mehrere spektakuläre Gefängnisausbrüche gelungen.
Guzmán gleicht im blutigen Drogenkrieg, der auch ohne ihn weiter tobt, einer Jagdtrophäe. Sein weltweiter Ruhm lässt sich mit dem des 1993 getöteten Drogenbarons Pablo Escobar vergleichen. Die unabhängige Chicago Crime Commission hatte ihn 2013 zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt – ein Titel, den zuvor nur Gangsterboss Al Capone bekam. Das Magazin „Forbes“führte ihn in seinen Milliardärslisten und sprach vom „mächtigsten Drogenhändler weltweit“.
Gleich ein Dutzend Staatsanwälte sitzen in New York nun an dem Fall. In Brooklyn im Bezirk „Eastern New York“, wo der Fall nun verhandelt wird, sammelt sich das geballte Wissen aus einem jahrzehntelangen Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Die Staatsanwaltschaft hat 16 Zeugen in Stellung gebracht – vermutlich frühere Partner, Freunde und Unterstützer Guzmáns.
Unter ihnen ist etwa Dámaso López, der Guzmáns Nachfolge angetreten hatte. „Licenciado“(Der Akademiker) heißt er wegen seines Jurastudiums mit Spitznamen. Nachdem auch er im Juli an die USA ausgeliefert wurde, einigte er sich mit Ermittlern darauf, mit ihnen zu kooperieren.
Der Ruf, der dem berüchtigten Drogenbaron vorauseilt, hat die Justiz zudem zu massiven Sicherheitsvorkehrungen veranlasst. Für den Prozess sind schwer bewaffnete patrouillierende Agenten im Einsatz. Mitglieder der Jury werden zu und aus dem Gerichtssaal eskortiert.