Sie erweckt Keramik zum Leben
Die japanische Künstlerin Naomi Akimoto hat erst in Deutschland ihre Liebe zur Keramikkunst wiederentdeckt.
Ton fühlt sich weich an wie Samt, aber er ist fest wie Stein und ihn zu bearbeiten kostet Kraft. Besonders an der Drehscheibe. Naomi Akimoto hat diese Kraft. Sie gibt mit dem rechten Fuß Gas und presst mit den Händen gegen den feuchten grauen Klumpen, bis er sich in die Höhe schraubt. Es sieht kinderleicht aus – und erfordert doch viel Kraft und Geschick. Erst, wenn der Ton einmal zu einer Säule geformt war, kann Akimoto ihn weiter bearbeiten. Zu organischen Formen, die die Künstlerin später zu Installationen zusammensetzt.
In Japan laufen die Drehscheiben andersherum, verrät die Japanerin aus Unterrath, die an Heiligabend 51 Jahre alt wird. Auf dem Schrank in der Keramikwerkstatt des Hetjens-Museums, in dem ihre Schürze hängt, steht „Japan/Nippon“. In Düsseldorf lebt sie, seit sie 29 ist. Sie musste erst ihr Heimatland verlassen, um ihre Liebe zu einer Kunstform wieder zu entdecken, die in Japan lange Tradition hat: der Keramik.
Schon als kleines Mädchen in Osaka habe sie gerne gezeichnet und gebastelt, erzählt Naomi Akimoto. „Ein Freund meiner Eltern war Keramiker. In seiner Werkstatt habe ich kleine Vasen gemacht. Er hat mich gelobt. Das war schön für mich.“Das künstlerische Talent kommt vom Vater, der gerne Architekt geworden wäre, und doch als Lehrer arbeitete. Ein Schicksal, das Naomi Akimoto zunächst teilte. Zwei Jahre arbeitete sie in Osaka in einer Schule. Doch danach wollte sie mehr. „Ich war jung, mir war diese Welt zu klein und zu langweilig.“Sie bekam eine Stelle in einem privaten Kunstmuseum, wo Werke von Joseph Beuys, Fluxus und der europäischen und amerikanischen Moderne ausgestellt waren. Akimoto reiste nach Deutschland und besuchte Kunstmuseen, in München, Kassel, Mönchengladbach, auf der Museumsinsel Hombroich. „Eins meiner Lieblingsmuseen.“Sie lernte in Deutschland japanische Musikund Kunststudenten kennen. Ein Kunststudium in Deutschland hatte sie bisher für unmöglich gehalten – zu teuer. Doch nun lernte sie: Die Mieten sind niedriger als in Tokio, die Studiengebühren auch. „Ich hatte auf einmal Hoffnung, mein Kunststudium in Deutschland weiterführen zu können. In der wunderbaren Umgebung dieser Museen.“
Ein Jahr lang arbeitete sie in Japan darauf hin, lernte Deutsch, bewarb sich an der Kunstakademie in Düsseldorf. Beim zweiten Anlauf wurde sie angenommen. „Wenn ich es jetzt nicht mache, mache ich es gar nicht mehr“, dachte sie. Sie war 29, die anderen Akademie-Studenten fast noch Teenager.
Relativ schnell fand Naomi Akimoto einen Job – im Hetjens-Museum. Hier gab sie Keramik-Kurse auf Japanisch. So entdeckte sie ihre Liebe zu dieser Kunstform wieder.
„Mit Keramik kann man keine Perfektion erreichen“, sagt sie. „Das gehört zum Charakter des Tons.“Irgendetwas geht immer schief – beim Formen, beim Trocknen, beim Brennen. „Ich mag das. Das Material ist lebendig. Manchmal erlebt man eine Enttäuschung, manchmal wird man positiv überrascht.“Sie interessiere sich für genau diese Momente, die zwischen Absicht und Zufall lägen.
Wenn sich die Drehscheibe dreht, wird Akimoto ruhig. Sie sagt, sie gehe in den Dialog mit der Materie. Es ist eine Art Meditation. Maximal vier Stunden töpfert sie am Stück, danach lässt sie die Stücke trocknen und erholt sich. „Beim Drehen braucht man Konzentration.“Wenn der Ton nach einigen Stunden halbtrocken ist, kommt das „Abdrehen“. Dabei wird der etwas festere Ton mit Mustern verziert, die Oberfläche verfeinert. Schalen bekommen ihren Fuß.
Naomi Akimoto hat sich in den Ton verliebt – dieser Stoff, der alle vier Elemente braucht, um zu werden: Erde, Wasser, Luft zum Trocknen und Feuer zum Brennen. Töpfern ist in höchstem Maße haptisch, vollkommen analog, gleichzeitig spielerisch und schwierig. Ein Spiel mit der Zeit. „Ton kann wie eine tiefe Quelle ohne Ende sein, wenn man sich damit beschäftigt“, sagt Akimoto. Üben. Drehen. Inspirieren lassen.