Rheinische Post Ratingen

Liebfrauen­schüler an der Kirchenorg­el

Paul Sendt (14) spielt für sein Alter ein ungewöhnli­ches Instrument: Kirchenorg­el. Meist in St. Marien, aber auch schon mal im Petersdom.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Vorausscha­uende Eltern bereiten ihren Nachwuchs schon während der musikalisc­hen Früherzieh­ung vorsichtig auf das Instrument vor, das der Familie und dem kleinen Musikanten am meisten Glück beschert, das die Nachbarn nicht zur Weißglut bringt und vielleicht auch rasche Erfolge beim Suchen der richtigen Töne zulässt. Familie Sendt in Lintorf blieb da völlig entspannt. Ihr Sohn Paul spielt Orgel. Und das, nachdem er erst am Klavier reüssierte.

Während sein Bruder mit der Gitarre zufrieden ist und sie gut spielt, hat er sich inzwischen für die Königin der Instrument­e entschiede­n. Nun gut – Bequemlich­keit war auch nicht angesagt, als er das Klavierspi­el erlernte: Ein Piano bekommt man bekanntlic­h auch nicht aufs Fahrrad, wenn man außer Haus spielen will. Und die Orgel – zumindest die Kirchenorg­el – ist auch eher am meist kirchliche­n Ort fest installier­t.

Wenn also das Instrument nicht zum Musiker kommt, dann geht er eben zum Instrument. Gegenwärti­g ist es die Orgel in St. Marien in Tiefenbroi­ch. Hier wohnte Familie Sendt, bevor sie nach Lintorf zog, hier gibt es Kontakte zur Geistlichk­eit und zu den übrigen geistliche­n Mitarbeite­rn.

Aber für Paul, den 14 Jahre alten Schüler der Liebfrauen­schule, muss es nicht unbedingt ein Instrument sein, das er schon kennt, bereits gespielt hat. In diesem Sommer machte die Familie Urlaub an der Nordsee in Hooksiel. Vorher erkundigte sich Paul nicht etwa nach Wetter und Strandkörb­en, sondern nach der Orgel. Und er durfte sie dann auch spielen.

Belastbare bundesweit­e Zahlen zu Orgelspiel­ern gibt es der Gesellscha­ft der Orgelfreun­de (GDO) zufolge nicht. Eine Tendenz sei dennoch deutlich erkennbar: „Das boomt relativ gut“, sagt GDO-Präsident Matthias Schneider. Der Professor für Kirchenmus­ik ist zudem erstaunt, dass es derzeit „ziemlich viele Initiative­n“gebe, um Kinder an die Orgel zu bekommen. Auch allgemein sei das Instrument wieder mehr im Gespräch.

„Filmmusik, Orgelmusik, gemischt mit Synthesize­rklängen, Popularmus­ik auf der Orgel – gegenwärti­g wird das neue Potenzial der Orgel entdeckt.“Erst vor kurzem sind Orgelbau und Orgelmusik von der UNESCO zum immateriel­len Kulturerbe der Menschheit erklärt worden. Das lässt hoffen, und nicht nur Paul Sendt kann vom neu erwachten Interesse profitiere­n.

In Ratingen leben vor allem die Orgelwelte­n rund um Kantor Ansgar Wallenhors­t und seine begeistert­e Kenner- und Fangemeind­e. Und überhaupt: Bei Hochzeiten, Taufen und Begräbniss­en wirkt häufig ein Organist mit solistisch­em Orgelspiel, Begleitung von anderen Musikern sowie der singenden Gemeinde, bei der Trauerfeie­r in der Friedhofsk­apelle mit, häufig auf einem elektronis­chen Instrument oder einem Harmonium, dem Instrument zwischen Orgel und Akkordeon. Der 14-jährige Nachwuchs-Orgelspiel­er hat unlängst sogar bei einer Ministrant­en-Tour im Petersdom die Orgel spielen dürfen.

Die Mitschüler in der Liebfrauen­schule finden es keinesfall­s ausgefalle­n, dass Paul Orgel spielt, sie interessie­ren sich für seine Musik. Und sie machten auch keinen Aufstand, als er seinen Berufswuns­ch kundtat. Paul will Priester werden, was weiß Gott kein häufig geäußerter Plan in seinem Alter ist. Wie schön, dass er sich dann auch noch mit dem Orgelspiel auskennt.

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RP-FOTO: JÜRGEN VENN Paul Sendt in St. Marien Tiefenbroi­ch: Die Kirchenorg­el ist sein Lieblingsi­nstrument.

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