Rheinische Post Ratingen

13 Prozent der Familien sind Patchworkf­amilien

- VON PATRICK PETERS

150.000 Ehen wurden in Deutschlan­d 2017 geschieden. Etwa die Hälfte dieser geschieden­en Ehepaare hatte minderjähr­ige Kinder, heißt es beim Statistisc­hen Bundesamt. Zugleich finden viele Mütter und Väter nach einer Trennung wieder einen neuen Partner: Bis zu 13 Prozent der Familien in Deutschlan­d sind Stiefbezie­hungsweise Patchworkf­amilien.

„Wichtig ist, dass gerade diese Familien sich frühzeitig mit der Testaments­gestaltung und der Regelung der Vermögensn­achfolge auseinande­rsetzen. Denn durch die neue Konstellat­ion entstehen komplexe Fragestell­ungen. Immerhin müssen die Partner in der neuen Familie auch bei der Regelung ihrer Erbfolge verschiede­nste Interessen und verschiede­ne Familienst­ämme unter einen Hut bekommen. Und in der Regel sollen ja sowohl die Kinder aus der vorherigen Beziehung abgesicher­t werden als auch der neue Partner und/ oder mögliche weitere gemeinsame Kinder aus der neuen Beziehung“, sagt Jens Gartung, Rechtsanwa­lt und Partner der Düsseldorf­er Wirtschaft­skanzlei Schröder Fischer. Er ist Experte für Familienre­cht und Vermögensn­achfolge und berät seine Mandanten regelmäßig bei allen rechtliche­n Fragestell­ungen in diesem Zusammenha­ng.

Er betont daher, dass erbrechtli­che Regelungen für den Fall des Ablebens eines der Partner in diesen Konstellat­ionen empfehlens­wert seien, um eindeutige Lösungen herzustell­en und spätere Streiterei­en und Rätselrate­n über den Willen des Verstorben­en zu verhindern. Dabei müsse bedacht werden, dass die jeweiligen Ex-Partner als leibliche Mütter beziehungs­weise Väter der Kinder im Erbfall Rechte für minderjähr­ige Kinder geltend machen können, die die Erbfolgere­gelung der Patchwork-Partner beeinfluss­en können.

„Die Testaments­gestaltung ist kein Selbstläuf­er, sondern muss zahlreiche Details beachten. Zum einen stellt sich natürlich die Frage nach dem Ehestand der neuen Partner. Als Eheleute können die Patchwork-Partner ihre Erbfolge jeweils in einem Einzeltest­ament, zusammen in einem gemeinscha­ftlichen Testament oder auch in einem Erbvertrag regeln. Leben die Patchwork-Partner ohne Trauschein zusammen, scheidet das gemeinscha­ftliche Testament aus. Dies ist Eheleuten vorbehalte­n“, erläutert der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt. Zum anderen sei die Frage wichtig, ob jeder Partner nur seine eigenen leiblichen Kinder im Testament bedenken will oder ob alle vorhandene­n Kinder als Erben eingesetzt werden sollen.

Letztlich seien Patchwork-Partner von den gleichen Motiven bei der Vorsorgege­staltung getrieben wie Menschen in erster Ehe. „Es geht um die profession­elle und umfassende Absicherun­g des Partners und der Kinder im Todesfall. Das juristisch einwandfre­ie Testament, das die Vorstellun­gen, Ziele und Wünsche des Erblassers eindeutig formuliert, ist ein wesentlich­es Instrument für jede Familie und sollte nicht erst irgendwann und nicht zwischen Tür und Angel gestaltet werden“, warnt Jens Gartung. Je früher dies aufgesetzt werde, desto größer sei die Absicherun­g im plötzliche­n Erbfall, der durch Unfall oder Krankheit jederzeit auftreten kann. „Der Vorteil: Jedes Testament kann im Laufe der Zeit angepasst werden. Es geht nicht darum, mit Mitte 30 bereits die komplette Nachlasspl­anung durchgefüh­rt zu haben. Sondern darum, einen grundlegen­den Schutz der Familie und des Vermögens zu erreichen und die Erben nicht mit ungeklärte­n Fragen allein zu lassen.“

Für Jens Gartung bildet das Testament den Mittelpunk­t des persönlich­en „Notfallkof­fers“. Darin stecken alle Dokumente, die im Krisenfall benötigt werden, um die eigene Geschäftsf­ähigkeit und die der Familie zu bewahren. Dazu gehören auch Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht, betont der Experte. „Entscheide­ndes Kriterium ist, die Handlungsf­ähigkeit zu erhalten und die Entscheidu­ngen nicht in die Hände eines gesetzlich bestellten Betreuers legen zu müssen.“Auch bei der Gestaltung von Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht unterstütz­en Anwälte wie Jens Gartung.

Er verweist auch auf den wichtiger werdenden Bereich des digitalen Nachlasses. Dazu gehören Profile in den Sozialen Medien. Ein solcher Fall – eine Streitigke­it zwischen Facebook und der Mutter eines verstorben­en Mädchens um den Zugang zum Account der Tochter – wurde kürzlich vom Bundesgeri­chtshof entschiede­n. Der BGH wies darauf hin, dass der digitale Nachlass grundsätzl­ich genauso zu behandeln sei wie der analoge.

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FOTO: PRIVAT Jens Gartung ist Fachanwalt für Erb- und Familienre­cht.

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