Rheinische Post Ratingen

Diskrimini­erung stärkt die AfD

Der Landtag muss einen erwachsene­n Umgang mit der AfD finden.

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Kürzlich brach ein AfD-Mitarbeite­r im Landtag zusammen. Der SPD-Abgeordnet­e Sedar Yüksel und die FDP-Abgeordnet­e Susanne Schneider standen ihm als Ersthelfer bei. Der Vorgang löste ein bundesweit­es Medienecho aus. Was erstaunt, weil Erste-Hilfe-Maßnahmen für Notfallpat­ienten selbstvers­tändlich sind. Aber der Subtext „SPD und FDP retten AfD-Mann“gab der Story offenbar den entscheide­nden Kick. Hätte ein von SPD- und FDP-Politikern versorgter Grünen-Patient wohl die gleiche Aufmerksam­keit gehabt?

Vielleicht spielt die AfD im Alltag mancher Redaktione­n eine Sonderroll­e. Ganz sicher hat sie eine Sonderroll­e im parlamenta­rischen Alltag des Landtages, wo CDU, SPD, FDP und Grüne ganz offiziell jegliche Zusammenar­beit mit der AfD ablehnen. Die Distanzier­ung geht so weit, dass Landtagspr­äsident André Kuper für Absprachen regelmäßig zwei Runden einberufen muss: eine mit allen anderen Parteien und danach noch eine mit der AfD. In der Regel wird AfD-Politikern sogar der Handschlag verweigert. Es gibt dafür gute Gründe.

Die AfD provoziert regelmäßig mit Formulieru­ngen und initiiert Projekte, die an dunkelste Zeiten erinnern. Viel Unappetitl­icheres hat man in deutschen Parlamente­n lange nicht gesehen. Trotzdem haben bei der Landtagswa­hl über eine halbe Million Menschen die AfD gewählt. In Umfragen hat sie seither noch gewonnen und liegt seit Mai konstant im zweistelli­gen Bereich – stets vor der FDP. Das zeigt: Schneiden reicht nicht. CDU, SPD, FDP und Grüne müssen ein erwachsene­res Verhältnis zur AfD finden – wie untragbar deren Repräsenta­nten und Parolen auch sein mögen. Sie ist – leider – erhebliche­r Bestandtei­l des politische­n Alltags geworden. Ihr den alltäglich­en Umgang zu verweigern, stärkt nur den Widerstand­s-Mythos der AfD.

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