Rheinische Post Ratingen

Königin der Rasenspren­ger

Joni Mitchell feiert 75. Geburtstag – eine Verbeugung vor der großen Songwriter­in.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Die kanadische Sängerin und Songwriter­in Joni Mitchell wird am Mittwoch 75 Jahre alt. Sie ist die Größte und Tollste, und wenn jemand fragt, warum das so ist, antwortet man einfach dieses:

Weil es wenige Lieder gibt, die schöner sind als „River“.

Weil sie ihre Gitarre früher absichtlic­h falsch gestimmt und die neuen Töne „Akkorde der Erkundung“genannt hat.

Weil sie in „Blue“die besten Zeilen über die Atmosphäre der späten 1960er Jahre überhaupt geschriebe­n hat: „Everybody’s saying that hell’s the hippest way to go / Well, I don’t think so / But I’m gonna take a look around it though.“

Weil sie nie stehenblei­bt, immer in Bewegung ist und sich gegen jede Erwartung verändert.

Weil sie seit ihrer zweiten Platte alles selbst produziert.

Weil das Album „Hejira“so toll ist. Weil ihre anderen Platten auch so toll sind.

Weil sie 1970 vor 600.000 rumpöbelnd­en Hippies auf der Isle Of Wight aufgetrete­n ist, an die Bühnenramp­e trat und rief: „Ihr verhaltet euch wie Touristen. Zeigt uns ein bisschen Respekt.“

Weil genau das dann wirklich funktionie­rt hat.

Weil man in ihrem Sound versinkt. Weil sie die Wirklichke­it verschwimm­en lassen kann.

Weil sie seit 1975 nicht mehr die hohen Töne von einst erreicht, das aber völlig egal ist.

Weil sie ihren Musikverla­g „Siquomb“genannt hat, was für „She Is Queen Undisputed­ly Of Mind Beauty“steht und so viel heißt wie „Sie ist die unangefoch­tene Königin geistiger Schönheit“.

Weil sie eigentlich über jeden von uns singt, wenn sie von sich selbst singt.

Weil sie eine ebenso tolle Erzählerin wie Lyrikerin ist.

Weil sie für „Love“das Hohelied Salomos umgeschrie­ben hat.

Weil sie ein Lied über die Rasenspren­ger von Bel Air geschriebe­n hat.

Weil keine anderen Songwriter so oft Nietzsche zitieren.

Weil Bob Dylan den Nobelpreis an sie weitergebe­n würde, wenn er richtig cool wäre.

Weil sie ihre Songs von früher mehrfach neu aufgenomme­n hat und damit sagt: Ich klinge anders, ich bin gereift, und ich bin immer noch ich.

Weil sie Kate Bush, Tori Amos und Suzanne Vega inspiriert hat.

Weil sie Folk, Jazz, Disco, Pop und Rock hinter sich gelassen hat.

Weil sie Joni Mitchell ist.

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FOTO: DPA Die kanadische Künstlerin Joni Mitchell.

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