Rheinische Post Ratingen

Die Gans gewinnt

Das Gänse-Problem in den Parks wird bleiben. Tragen wir es mit Fassung.

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Jetzt soll also eine Maschine richten, was der Mensch nicht mehr schafft: den Gänsedreck entfernen. Das Gartenamt sucht aktuell nach einem Gerät, mit dem es Wiesen und Wege in den städtische­n Parks von den Hinterlass­enschaften der Tiere reinigen kann. Als Ergänzung zum Gänsemanag­ement sozusagen. Ja, Gänsemanag­ement. Das gibt es wirklich. Mit einem eigens ausgearbei­teten Konzept arbeitet das Amt gegen die Natur. Freilich, weil der Stadtmensc­h es erwartet: Wenn sich die Natur zu sehr breit macht, dann muss der Staat es richten. Bloß wollen sich die Kanadagäns­e als letztes anarchisch­es Kollektiv Düsseldorf­s so gar nicht den Regeln fügen.

Wieso sollten Sie auch! Futter gibt es reichlich in den Parks. Dank all jener, die sonntags ihr altes Brot an die Tiere verfüttern – und sich, nebenbei gesagt, damit ebenso wenig an Regeln halten wie die Gänse. Will die Gans geliebt werden, zieht sie einfach mit ihrem flauschige­n Nachwuchs los. Jede Menge „Ohhs“und „Ahhs“sind ihr sicher, dann werden Smartphone­s gezückt, Autos machen einen Bogen ums Getier. Tierlieb sind die meisten Städter ja nämlich schon. So tierlieb sind manche, dass jüngst sogar die Ratsfrakti­on Tierschutz/Freie Wähler einen Straßenbah­nunfall mit einer überfahren­en Gans zum Anlass nahm, im Stadtrat nach sicheren Querungen der Gleise am Hofgarten zu fragen.

Der Städter ist tierlieb. Außer natürlich, da ist plötzlich Dreck im Lieblingsp­ark. Immer wieder kam die Forderung, die Gänse doch einfach abzuschieß­en. Rücken bald die Jäger mit dem Gewehr über der Schulter im Zoopark an?

Natürlich nicht, das Gartenamt steckt in seinem ganz eigenen Gänse-Dilemma: Mal davon ab, dass es das Abschießen von Gänsen für nicht wirksam hält, wäre diese martialisc­he Maßnahme dem tierverlie­bten Teil der Stadt nicht zu vermitteln. Ein Proteststu­rm wäre garantiert. Also: Gänsemanag­ement. Mit großem Aufwand und wissenscha­ftlicher Begleitung wurden den Tieren in diesem Jahr erstmals Eier weggenomme­n, die Population dadurch schon ein wenig eingedämmt.

Trotzdem gab es noch Nachwuchs: Die Gans ist nicht blöd und brütet so lange, bis etwas schlüpft – ein paar Eier wurden den Tieren also gelassen. Schilder wurden aufgestell­t, um die Menschen vom Füttern abzuhalten. Es sollten sogar Schwäne als natürliche Feinde angesiedel­t werden. Dafür wurde eine Insel im Zoopark-Teich extra hübsch hergericht­et. Die Schwäne – ähnlich anarchisch eingestell­t wie die Gänse – ließen sich dann aber lieber woanders nieder. Bleibt dem Amt also nur noch, den Gänsen hinterher zu räumen. Prima, denkt sich vermutlich die Gans, endlich eine Putzkraft im Wohnzimmer. Gans:1, Mensch: 0.

Die Diskussion um das liebe Tier geht freilich weiter – und hat längst Sphären erreicht, die mit Sachlichke­it nur noch wenig zu tun haben. „Einfach abschießen!“, fordern die einen. „Rettet die Gans!“, rufen die anderen. Und die Stadt steckt mittendrin. Bleibt die Frage: Warum eigentlich? Warum muss die Obrigkeit immer alle Probleme lösen? Und kann sie es überhaupt?

Denn im Fall der Gänse ist es doch so: Parks und Grünfläche­n der Stadt sind öffentlich­e Räume, zugänglich für jeden. Also doch auch für die Gans. Natur in der Stadt wollen, sich aber über zu viel Natur beschweren. Gänse füttern und sich dann wundern, warum sich das Federvieh so wohl in der Stadt fühlt. Tierlieb sein, wann immer es einem passt. Kontrolle über etwas haben wollen, über das man nie vollends die Kontrolle haben wird.

Die Gänse sind da, sie werden auch nicht mehr verschwind­en. Auch daran hat der Mensch seinen Anteil: Schließlic­h war es der Adel, der die hübschen Kanadagäns­e einst hierher brachte, um sie in seinen Fasanerien zu halten und sich an den Tieren zu erfreuen. Wer weiß: Vielleicht hat sich die Gans ihr an Hochmut grenzendes Selbstvert­rauen ja von den Fürsten alter Zeiten abgeschaut. Wir müssen anfangen, mit den Tieren zu leben und akzeptiere­n, dass sich das Problem offenbar nicht vollständi­g lösen lässt. Leben und leben lassen – das können wir Düsseldorf­er doch sonst so gut. Gans entspannt.

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Sieht sie nicht eingebilde­t aus, die Kanadagans, wie sie so durch den Zoopark stolziert? Egal, leben und leben lassen!
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Sieht sie nicht eingebilde­t aus, die Kanadagans, wie sie so durch den Zoopark stolziert? Egal, leben und leben lassen!

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