Keine Zeit fürs Schreiben
Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke las im Kuppelsaal der Deutschen Bank.
Warum sollte man über die Lesung der Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke nicht rückwärts berichten, so wie sie selbst es in ihrem „Archipel“getan hat? Wenn man also die Abfolge umkehrt, trifft man auf eine Schriftstellerin mit großartigen Plänen für ihr nächstes Werk. Am Ende des Gesprächs mit der WDR-Moderatorin Stefanie Junker im Kuppelsaal der Deutschen Bank kam natürlich die Frage: „Wie geht es weiter?“Und schon wurde man, auch nach gut einstündiger Lesung und Gespräch, Zeuge einer Energie, die diese 40-jährige Autorin wohl bald in langen Schreibtagen für einen fiktiven literarischen Briefwechsel verbrauchen wird. Eigentlich hätte sie ihrem Verlag bereits vorher eine längere Konzeptprobe zuschicken müssen. Aber wer den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, garantiert auch weiterhin Qualität. Ohnehin findet Inger-Maria Mahlke bei ihren ausgedehnten Lesereisen und dem Interview-Marathon in diesen Wochen keine Zeit fürs Schreiben.
Das Rückwärts-Erzählen kennt die studierte Juristin aus der Kriminologie. Dort wird es als Verhörtechnik genutzt, weil die befragten Verdächtigen so nur schwer lügen können. Ohnehin weiß Mahlke, wie sie in Düsseldorf erzählte, als Erstes das Ende einer Geschichte.
Der Roman „Archipel“umfasst ein ganzes Jahrhundert, und seine drei ineinander verwobenen Familiengeschichten spielen auf Teneriffa. Von dort stammt die Mutter der Autorin, die in Lübeck aufwuchs, ihre Ferien aber immer auf der Kanareninsel verbrachte.
Die Recherche für ihren Roman empfand Mahlke als mühsam, denn sie selbst hatte Teneriffa vorher nie als historischen Ort begriffen. Den Kanariern geht es wohl ähnlich: „Die Menschen dort leben in ihren über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen, ohne sich für deren Ursachen zu interessieren.“Auch wenn der Tourismus mit seinem Bauboom enorme Veränderungen gebracht hat, erlebte die Autorin doch immer wieder den Kontrast zu ihrer deutschen Heimat: „Mein Großvater mütterlicherseits züchtete noch Kampfhähne.“
Ihren Besuch auf der Königsallee verdanken die Zuhörer der Deutsche Bank-Stiftung, die Hauptförderin des Deutschen Buchpreises ist. Allen Autoren, die es auf die Shortlist schaffen, schenken die Veranstalter einen wertvollen Füllfederhalter. Inger-Maria Mahlke hat schon einen, denn sie stand bereits 2015 auf der Liste.
Gefragt, welches Geschenk sie alternativ denn wünsche, lautete ihre Antwort sofort: „Ich würde mich über alle zwanzig Romane freuen, die in diesem Jahr auf der Longlist standen.“