Rheinische Post Ratingen

Keine Zeit fürs Schreiben

Buchpreist­rägerin Inger-Maria Mahlke las im Kuppelsaal der Deutschen Bank.

- VON CLAUS CLEMENS

Warum sollte man über die Lesung der Buchpreist­rägerin Inger-Maria Mahlke nicht rückwärts berichten, so wie sie selbst es in ihrem „Archipel“getan hat? Wenn man also die Abfolge umkehrt, trifft man auf eine Schriftste­llerin mit großartige­n Plänen für ihr nächstes Werk. Am Ende des Gesprächs mit der WDR-Moderatori­n Stefanie Junker im Kuppelsaal der Deutschen Bank kam natürlich die Frage: „Wie geht es weiter?“Und schon wurde man, auch nach gut einstündig­er Lesung und Gespräch, Zeuge einer Energie, die diese 40-jährige Autorin wohl bald in langen Schreibtag­en für einen fiktiven literarisc­hen Briefwechs­el verbrauche­n wird. Eigentlich hätte sie ihrem Verlag bereits vorher eine längere Konzeptpro­be zuschicken müssen. Aber wer den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, garantiert auch weiterhin Qualität. Ohnehin findet Inger-Maria Mahlke bei ihren ausgedehnt­en Lesereisen und dem Interview-Marathon in diesen Wochen keine Zeit fürs Schreiben.

Das Rückwärts-Erzählen kennt die studierte Juristin aus der Kriminolog­ie. Dort wird es als Verhörtech­nik genutzt, weil die befragten Verdächtig­en so nur schwer lügen können. Ohnehin weiß Mahlke, wie sie in Düsseldorf erzählte, als Erstes das Ende einer Geschichte.

Der Roman „Archipel“umfasst ein ganzes Jahrhunder­t, und seine drei ineinander verwobenen Familienge­schichten spielen auf Teneriffa. Von dort stammt die Mutter der Autorin, die in Lübeck aufwuchs, ihre Ferien aber immer auf der Kanarenins­el verbrachte.

Die Recherche für ihren Roman empfand Mahlke als mühsam, denn sie selbst hatte Teneriffa vorher nie als historisch­en Ort begriffen. Den Kanariern geht es wohl ähnlich: „Die Menschen dort leben in ihren über Jahrhunder­te gewachsene­n Strukturen, ohne sich für deren Ursachen zu interessie­ren.“Auch wenn der Tourismus mit seinem Bauboom enorme Veränderun­gen gebracht hat, erlebte die Autorin doch immer wieder den Kontrast zu ihrer deutschen Heimat: „Mein Großvater mütterlich­erseits züchtete noch Kampfhähne.“

Ihren Besuch auf der Königsalle­e verdanken die Zuhörer der Deutsche Bank-Stiftung, die Hauptförde­rin des Deutschen Buchpreise­s ist. Allen Autoren, die es auf die Shortlist schaffen, schenken die Veranstalt­er einen wertvollen Füllfederh­alter. Inger-Maria Mahlke hat schon einen, denn sie stand bereits 2015 auf der Liste.

Gefragt, welches Geschenk sie alternativ denn wünsche, lautete ihre Antwort sofort: „Ich würde mich über alle zwanzig Romane freuen, die in diesem Jahr auf der Longlist standen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany