Thyssenkrupps Bauarbeiter
Guido Kerkhoff will den Konzern aufspalten und so die Krise beenden.
ESSEN Mit einem plakativen Vergleich hat Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff die Lage bei dem Essener Industriekonzern beschrieben: „Willkommen auf der Baustelle“, sagte er den Journalisten bei der Vorstellung der Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017/18. „Denn genau das ist Thyssenkrupp aktuell und davon wird das laufende Geschäftsjahr geprägt sein.“
In der Tat sind die Zahlen, die Kerkhoff im Atrium der Konzernzentrale vorstellen musste, gelinde gesagt miserabel. Rückstellungen für drohende Kartellstrafen im Stahl, Qualitätsprobleme bei der Automobilzulieferung, das Niedrigwasser im Rhein und die damit gedrosselte Stahlproduktion – all dies hat das Ergebnis zusammenschrumpfen lassen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) betrug gerade einmal 1,6 Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss lag mit 60 Millionen Euro deutlich unter dem Vorjahr (271 Millionen Euro).
Auch mit Blick nach vorn sieht sich der Chef mit Großbaustellen konfrontiert: Das geplante StahlJoint-Venture sorgt bei den EU-Aufsichtsbehörden für Bedenken. Die
geplante Aufspaltung des Konzerns in eine Industriegüter- und eine Werkstoff-Sparte muss gestemmt werden. Dazu gibt es im Aufsichtsrat Ärger um einen Nachfolger für den amtierenden Chefkontrolleur. Und der selbstbewusste Chef der margenstarken Aufzugsparte, Andreas Schierenbeck, musste seinen Posten aufgeben. Offiziell, weil die Aufzugsparte im Vergleich zu den Wettbewerbern zu hohe Kosten aufweist. In Wahrheit aber wohl auch, weil die Chemie zwischen Schierenbeck und Kerkhoff nicht gestimmt hat. Zudem muss Kerkhoff in Personalunion den Konzern steuern und seiner alten Aufgabe als Finanzvorstand nachkommen. Die Suche nach einem Finanzchef gehe aber gut voran.
Kerkhoff versuchte den Blick in erster Linie auf das Mega-Projekt Aufspaltung zu lenken und präsentierte einen Fahrplan, den er selbst „ehrgeizig, aber machbar“nannte: Wie die neue Struktur aussehen soll, will Thyssenkrupp erstmals im kommenden Februar der Öffentlichkeit präsentieren. Für das Frühjahr seien auch die zugehörigen Personalentscheidungen angedacht. Ab Oktober 2019 müssen die beiden künftigen Unternehmen so aufgestellt sein, dass sie eigenständig funktionieren. „Wir arbeiten daran, dass die ordentliche Hauptversammlung im Januar 2020 die Teilung unseres Konzerns beschließt“, sagte Kerkhoff.
Die Aufspaltung wird massive Auswirkungen auf das Ergebnis im Geschäftsjahr 2018/19 haben. Nach Angaben von Kerkhoff betrügen die voraussichtlichen Belastungen einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Eine Kapitalerhöhung schloss er dennoch für die kommenden zwölf Monate aus.
Für die Aktionäre wird es wie schon im Vorjahr eine schmale Dividende von 15 Cent geben, für Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger, der im Juli überraschend hingeworfen hatte, zusätzlich zu seinem Gehalt eine Abfindung von 4,6 Millionen Euro, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. Sein Abtritt hatte den Konzern in ein Personalchaos gestürzt, das bis heute anhält. Denn auch der Aufsichtsrat bleibt eine Konzernbaustelle. So scheiterte am Dienstagabend die Berufung von Bodo Uebber, dem scheidenden Daimler-Finanzvorstand, in das Gremium. Er galt als möglicher Kandidat für den Aufsichtsratsvorsitz. Wie aus Unternehmenskreisen verlautete habe Uebber, „einen recht umfangreichen Forderungskatalog“zur Bedingung für seine Arbeit in dem Gremium gemacht. Uebber gilt als Kandidat des aktivistischen Finanzinvestors Cevian, der 18 Prozent an Thyssenkrupp hält. Die „WAZ“berichtete unter Berufung auf Uebbers Umfeld, er stünde nicht mehr für einen Wechsel in das Kontrollgremium zur Verfügung.
Der Vorstandschef gab sich zur Causa Uebber betont gelassen: „Wir haben einen funktionsfähigen Aufsichtsrat mit einem Aufsichtsratsvorsitzenden, der uns als Vorstand begleitet und unterstützt.“