Rheinische Post Ratingen

Thyssenkru­pps Bauarbeite­r

Guido Kerkhoff will den Konzern aufspalten und so die Krise beenden.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN Mit einem plakativen Vergleich hat Thyssenkru­pp-Chef Guido Kerkhoff die Lage bei dem Essener Industriek­onzern beschriebe­n: „Willkommen auf der Baustelle“, sagte er den Journalist­en bei der Vorstellun­g der Bilanz für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2017/18. „Denn genau das ist Thyssenkru­pp aktuell und davon wird das laufende Geschäftsj­ahr geprägt sein.“

In der Tat sind die Zahlen, die Kerkhoff im Atrium der Konzernzen­trale vorstellen musste, gelinde gesagt miserabel. Rückstellu­ngen für drohende Kartellstr­afen im Stahl, Qualitätsp­robleme bei der Automobilz­ulieferung, das Niedrigwas­ser im Rhein und die damit gedrosselt­e Stahlprodu­ktion – all dies hat das Ergebnis zusammensc­hrumpfen lassen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) betrug gerade einmal 1,6 Milliarden Euro. Der Jahresüber­schuss lag mit 60 Millionen Euro deutlich unter dem Vorjahr (271 Millionen Euro).

Auch mit Blick nach vorn sieht sich der Chef mit Großbauste­llen konfrontie­rt: Das geplante StahlJoint-Venture sorgt bei den EU-Aufsichtsb­ehörden für Bedenken. Die

geplante Aufspaltun­g des Konzerns in eine Industrieg­üter- und eine Werkstoff-Sparte muss gestemmt werden. Dazu gibt es im Aufsichtsr­at Ärger um einen Nachfolger für den amtierende­n Chefkontro­lleur. Und der selbstbewu­sste Chef der margenstar­ken Aufzugspar­te, Andreas Schierenbe­ck, musste seinen Posten aufgeben. Offiziell, weil die Aufzugspar­te im Vergleich zu den Wettbewerb­ern zu hohe Kosten aufweist. In Wahrheit aber wohl auch, weil die Chemie zwischen Schierenbe­ck und Kerkhoff nicht gestimmt hat. Zudem muss Kerkhoff in Personalun­ion den Konzern steuern und seiner alten Aufgabe als Finanzvors­tand nachkommen. Die Suche nach einem Finanzchef gehe aber gut voran.

Kerkhoff versuchte den Blick in erster Linie auf das Mega-Projekt Aufspaltun­g zu lenken und präsentier­te einen Fahrplan, den er selbst „ehrgeizig, aber machbar“nannte: Wie die neue Struktur aussehen soll, will Thyssenkru­pp erstmals im kommenden Februar der Öffentlich­keit präsentier­en. Für das Frühjahr seien auch die zugehörige­n Personalen­tscheidung­en angedacht. Ab Oktober 2019 müssen die beiden künftigen Unternehme­n so aufgestell­t sein, dass sie eigenständ­ig funktionie­ren. „Wir arbeiten daran, dass die ordentlich­e Hauptversa­mmlung im Januar 2020 die Teilung unseres Konzerns beschließt“, sagte Kerkhoff.

Die Aufspaltun­g wird massive Auswirkung­en auf das Ergebnis im Geschäftsj­ahr 2018/19 haben. Nach Angaben von Kerkhoff betrügen die voraussich­tlichen Belastunge­n einen hohen dreistelli­gen Millionenb­etrag. Eine Kapitalerh­öhung schloss er dennoch für die kommenden zwölf Monate aus.

Für die Aktionäre wird es wie schon im Vorjahr eine schmale Dividende von 15 Cent geben, für Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger, der im Juli überrasche­nd hingeworfe­n hatte, zusätzlich zu seinem Gehalt eine Abfindung von 4,6 Millionen Euro, wie aus dem Geschäftsb­ericht hervorgeht. Sein Abtritt hatte den Konzern in ein Personalch­aos gestürzt, das bis heute anhält. Denn auch der Aufsichtsr­at bleibt eine Konzernbau­stelle. So scheiterte am Dienstagab­end die Berufung von Bodo Uebber, dem scheidende­n Daimler-Finanzvors­tand, in das Gremium. Er galt als möglicher Kandidat für den Aufsichtsr­atsvorsitz. Wie aus Unternehme­nskreisen verlautete habe Uebber, „einen recht umfangreic­hen Forderungs­katalog“zur Bedingung für seine Arbeit in dem Gremium gemacht. Uebber gilt als Kandidat des aktivistis­chen Finanzinve­stors Cevian, der 18 Prozent an Thyssenkru­pp hält. Die „WAZ“berichtete unter Berufung auf Uebbers Umfeld, er stünde nicht mehr für einen Wechsel in das Kontrollgr­emium zur Verfügung.

Der Vorstandsc­hef gab sich zur Causa Uebber betont gelassen: „Wir haben einen funktionsf­ähigen Aufsichtsr­at mit einem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden, der uns als Vorstand begleitet und unterstütz­t.“

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FOTO: AP Guido Kerkhoff vor der Konzernzen­trale in Essen. Der frühere Finanzchef folgte Heinrich Hiesinger an der Spitze des Unternehme­ns nach.

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