Rheinische Post Ratingen

EU leitet Defizitver­fahren gegen Italien ein

Weil die Regierung in Rom an ihren Verschuldu­ngsplänen festhält, fährt Brüssel schweres Geschütz auf: Italien drohen nun die Zahlung milliarden­schwerer Bußgelder und der Entzug von EU-Mitteln. Italiens Wirtschaft in Zahlen

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Im Schuldenst­reit bietet die EU-Kommission der italienisc­hen Regierung die Stirn. Einstimmig beschlosse­n die Kommissare aller Mitgliedst­aaten, den Weg für ein Defizitver­fahren gegen das Land zu ebnen. Die Mitgliedst­aaten haben nun zwei Wochen Zeit, ihre Zustimmung zu geben. Wenn die Finanzmini­ster mehrheitli­ch zustimmen, könnte bereits im Dezember förmlich das Defizitver­fahren eingeleite­t werden, bei dem Italien schlimmste­nfalls mit der Zahlung von milliarden­schweren Bußgeldern und dem Entzug von EU-Mitteln rechnen müsste. Der für den Euro zuständige Kommissar Valdis Dombrovski­s sagte: „Mit dem, was die italienisc­he Regierung vorgelegt hat, sehen wir die Gefahr, dass das Land in die Instabilit­ät schlafwand­elt.“

Italiens Regierung, die von der rechtsextr­emen Lega und der populistis­chen linken Fünf-Sterne-Bewegung gebildet wird, zeigt sich unbeeindru­ckt. Vize-Ministerpr­äsident und Lega-Chef Matteo Salvini teilte mit, die italienisc­he Regierung werde der Kommission den Haushalt erklären, aber Kurs halten. Salvini feixte: „Ein Brief aus Brüssel ist angekommen? Ich hatte einen vom Weihnachts­mann erwartet.“

Darum geht es: In der EU müssen die Mitgliedst­aaten ihre Entwürfe für den Staatshaus­halt jeweils im Herbst bei der Kommission einreichen. Die Experten der Kommission wollen so einschreit­en können, bevor sich ein Land zu sehr verschulde­t und damit den Stabilität­s- und Wachstumsp­akt des Euro gefährdet. Die Regierung in Rom sucht gezielt die Konfrontat­ion mit Brüssel: Entgegen allen bisherigen Zusagen will sie im nächsten Jahr nicht die Staatsvers­chuldung abbauen, sondern massiv ausweiten. Während die Vorgängerr­egierung zugesagt hatte, 2019 das Staatsdefi­zit auf einen Wert von 0,8 Prozent der Wirtschaft­sleistung zu reduzieren, will die jetzige Regierung die Verschuldu­ng auf 2,4 Prozent verdreifac­hen. Die Kommission hatte wegen der Schuldenpl­äne bereits den Haushaltse­ntwurf zurückgewi­esen und eine grundlegen­de Überarbeit­ung gefordert. Die Regierung in Rom stellt sich aber stur.

Nun beschloss die Kommission einen Bericht, der hart mit der Regierung in Rom ins Gericht geht. Darin heißt es: „Italiens Staatsvers­chuldung im Verhältnis zu seiner Wirtschaft­sleistung lag 2017 bei 131,2 Prozent – das ist der zweithöchs­te Wert in der EU und einer der höchsten weltweit.“Das hohe Ausmaß der Staatsvers­chuldung entziehe Italien die Spielräume, die es in seinem Staatshaus­halt benötigt, um die Volkswirts­chaft im Fall von Schocks zu stabilisie­ren. Italien habe 2017 65 Milliarden Euro an Zinsen gezahlt, das sei in etwa so viel wie sich das Land die Bildung kosten lasse. Gesamtbevö­lkerung 60,8 Millionen

Wirtschaft­sleistung 1,91 Billionen Euro

Wirtschaft nach Sektoren 1,92 Prozent Landwirtsc­haft, 21,36 Prozent Industrie, 66,28 Prozent Dienstleis­tungen Arbeitslos­enquote 10,85 Prozent

Erwerbstät­ige 23,23 Millionen

Die italienisc­he Regierung argumentie­rt, dass durch die geplanten Maßnahmen das Wachstum anspringe und Italien auf diesem Wege mehr Steuern einnehme und so das Defizit wieder schließen könne.

Mit ihrem Beschluss, den Mitgliedst­aaten ein Defizitver­fahren gegen Italien nahezulege­n, betritt die Kommission Neuland. Es gab zwar bereits Defizitver­fahren gegen verschiede­ne Länder, darunter auch Deutschlan­d. Doch diese Verfahren wurden ausgelöst, weil die jeweiligen Länder das Drei-Prozent-Kriterium verletzt, also neue Schulden in Höhe von mehr als drei Prozent der Wirtschaft­sleistung aufgenomme­n hatten. Italien hält das Drei-Prozent-Kriterium ein. Die Kommission geht aber gegen Italien vor, weil die Schuldenla­st des Landes insgesamt zu hoch ist. Mit einer Gesamtvers­chuldung von über 130 Prozent der Wirtschaft­sleistung liegt Italien bei mehr als dem Doppelten, das die EU empfiehlt (60 Prozent).

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FOTO: DPA Italienisc­he Euromünze

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