So viel Platz zwei steckt in Borussia
Nach elf Spieltagen steht Mönchengladbach in der Bundesliga direkt hinter Spitzenreiter Dortmund. Eine Überraschung? Nur auf den ersten Blick.
MÖNCHENGLADBACH Max Eberl schaut auf die Tabelle. Und zwar gern. Das steht der bisherigen Doktrin des Managers von Borussia Mönchengladbach entgegen, der bei Höhenflügen oft auf „Momentaufnahmen“verwiesen hat, um vorsorglich eventuelle Euphorie zu bremsen. Fakt ist aber nunmal: Für den Moment ist Gladbach das zweitbeste Team im deutschen Fußball. Und das hat Gründe.
Trainer Dieter Hecking (54) hat viel Erfahrung und ist ein guter Kommunikator. Das ist wichtig, denn der breite Kader bedarf einer klaren Moderation. Stars, die draußen bleiben, müssen mit der Situation angefreundet werden. Zugleich hat Hecking allen klar gemacht, dass Flapsigkeiten nicht mehr geduldet werden und allein das Leistungsprinzip entscheidet. Daraus ist ein gesunder Konkurrenzkampf erwachsen. Dass Hecking Platz zwei kann, hat er in der Saison 2014/15 mit Wolfsburg nachgewiesen.
System Das abwartende, zögerliche Ballbesitzspiel der Vorsaison, das sich abgenutzt hatte, ist vorbei, es wird steil statt quer gespielt. Borussia attackiert die Gegner weit vorn, ist stets aktiv und schaltet schnell um. Die Mischung stimmt, und der Gladbacher Grundgedanke, stets fußballerisch an die Sache heranzugehen, ist voll umgesetzt. Heckings System passt zum Kader und macht einzelne Spieler besser, weil es ihre Stärken herausarbeitet und nutzt.
Gesundheit Die Analyse der vergangenen Saison durch Andreas Schlumberger brachte Veränderungen und Erweiterungen in der medizinischen Abteilung mit sich – das trägt Früchte, Borussia ist sehr gesund. Der Ausfall von Christoph Kramer und Mamadou Doucouré ist ein Nackenschlag. Trotzdem kann Hecking aus einem breit aufgestellten Kader schöpfen und hat daher extrem viele Möglichkeiten, die er weidlich ausnutzt.
Torfabrik Die bisherigen 26 Treffer sind nach den 33 Toren des BVB der zweitbeste Liga-Wert, das sind 2,4 Tore pro Spiel im Schnitt, daheim sind es sogar 2,8. Saisonübergreifend haben die Gladbacher in 17 Spielen am Stück immer getroffen. Alassane Plea ist die Nummer zwei der Bundesliga-Torschützenliste mit acht Toren, Thorgan Hazard liegt knapp dahinter mit sieben, inklusive Pokal haben die beiden zweistellig getroffen. Spieler wie Lars Stindl oder Raffael haben noch gar nicht richtig angefangen mit der Torproduktion. Es ist noch viel Qualität in der Hinterhand. Stabilität Zweimal brachen bei Borussia die Dämme: beim 2:4 in Berlin und im Pokal beim 0:5 gegen Leverkusen. Die Borussen lernten aber aus den Fehlern. Nur 13 Gegentore (sieben davon in den Spielen in Berlin und beim 1:3 in Freiburg) und vier gegentorlose Spiele zeigen, dass Gladbach im offensiv ausgerichteten 4-3-3 stabil stehen kann. Yann Sommer ist ein starker Torwart, der nicht nur zwei Drittel aller Schüsse auf sein Tor abwehrt, sondern vor allem die entscheidenden Bälle hält.
Fairness Borussia ist extrem diszipliniert, denn das Team hat bisher kaum Karten eingesammelt. Einen Platzverweis gab es noch gar nicht, mit nur elf Gelben Karten führt Heckings Team die Fairnesstabelle an. Standards Die Weltmeisterschaft hat gezeigt: Standards sind wichtig, da es immer enger zugeht im Fußball. Borussia hat herrlich herausgespielte Tore erzielt, ist aber auch das beste Team der Liga bei Standards: Neun der 26 Treffer resultierten aus ruhenden Bällen (35 Prozent). Co-Trainer Dirk Bremer ist Standard-Experte, er hat mit den Borussen ein breites Repertoire erarbeitet. Auch die Standard-Verteidigung klappt: Es gab nur ein Standard-Gegentor, das war der Elfmeter in Freiburg.
Heimstärke Fünf Spiele, fünf Siege, saisonübergreifend ist Gladbach daheim seit zehn Spielen unbesiegt und hat achtmal in Folge gewonnen: Die Stärke im Borussia-Park ist eine Grundlage für die Hoffnung auf Europa.
Fazit Manager Max Eberl hat Recht, wenn er nach elf Spieltagen sagt: „Wir stehen zu Recht da, wo wir stehen.“In diesen Worten drückt sich aber auch gleichzeitig ein neues Selbstverständnis der Borussia aus: Man kann in die Offensive gehen, ohne großmäulig zu sein. Plea geht das Thema forscher an: „Unser Ziel ist die Champions League“, gab er via „Sportbild“bekannt. Es steckt viel Platz zwei in Gladbach, das macht selbstbewusst und gibt Energie.