Die Kraft kommt aus der Provinz
Ob Vermögen oder Herkunft: Über Friedrich Merz spotten die Heuchler und Neidhammel.
In die zwischen Neid und Neugier pendelnde Debatte über den Wohlstand von Friedrich Merz platzte „Die Welt“mit diesem Befund: Deutschland habe ein toxisches Nichtverhältnis zu Leistungsträgern und erfolgreichen Unternehmern.
Das stimmt nicht zu 100 Prozent; aber im Kern trifft es zu. Man wundert sich ja, wie beispielsweise ein Jungsozialistenführer, der noch an der Schwelle zum 30. Lebensjahr irgendwas mit Politik studiert, als Nachwuchshoffnung einer ehemals stolzen Arbeiterpartei gilt; wohingegen ein tüchtiger Wirtschaftsanwalt, der nicht von der Politik, vielmehr für dieselbe lebt, unternehmerisch denkt und in Arnsberg gemeinnützig agiert, in vor Missgunst gelbe Funktionärsgesichter schaut. Unter teilweise fürstlich bezahlten Bescheidenheitsprotzen im Dienst steuerfinanzierter Einrichtungen summt man wieder garstige politische Volkslieder: „Dreh dich nicht um, der reiche Mann geht um.“Merz, der aus der Provinz stammt und in der (Wirtschafts-) Welt zu Hause ist, schlägt wie seinerseits Helmut Kohl das gepflegte Vorurteil von unvollendeten Studenten und wurzellos Dünkelhaften entgegen. Neulich war ein renommierter Kulturschaffender aus Hamburg beim Naserümpfen über Merz‘ Heimat, das Sauerland, zu erleben: Er flatterte wie eine verirrte journalistische Alstermöwe über einem ihm rückständig erscheinenden Landstrich, dessen geringe Arbeitslosenzahl und öffentliche Verschuldung nebst properem unternehmerischem Mittelstand ihm natürlich nicht die Spottlaune verdarb. Zu Kohls Zeiten ergötzte sich eine Polit- und Publizistik-Schickeria an „dem Oggersheimer mit dem pfälzischen Rundhorizont“. Dabei stehen Kohls und Merz‘ Lebensläufe und Heimatregionen – jede auf ihre Weise – für das, was Deutschland so stark macht: seine vielen im Verborgenen blühenden Provinzen.