Als Heine auf Goethe traf
Mag sein, dass der Weg Christian Liedtkes von seiner Arbeitsstelle auf der Bilker Straße zum Schloss Jägerhof als Ergebenheitsadresse gemeint war. Vielleicht aber auch als Zeichen von Ebenbürtigkeit. Auf alle Fälle hatte der Archivar des Heine-Instituts bei seinem Besuch im Goethemuseum viel Heine im Gepäck. Immerhin sollte es um die Beantwortung einer großen Frage gehen. Einer Frage, die Goetheund Heinefreunden bislang schlaflose Nächte bereitete, wie Christoph Wingertszahn, Hausherr des Schlosses, augenzwinkernd kundtat. Wer nämlich von den Beiden der größte deutsche Dichter war. „Das Bier in Weimar ist wirklich gut“, hatte Christian Liedtke seinen Vortrag genannt, der ausgehend von der einzigen Begegnung Heines mit Goethe die lebenslange Auseinandersetzung des Dichters der Romantik mit dem Fürsten der Klassik darstellte. Am Ende der klugen Darlegungen blieb die Beantwortung dann jedem einzelnen Zuhörer überlassen.
Am 24.Oktober 1824 besuchte der noch wenig bekannte 26-jährige Harry Heine das Haus Goethes am Frauenplan. Es sollte der krönende Abschluss einer Wanderung von Göttingen durch den Harz zum Brocken und schließlich nach Weimar werden. Während dieser Wanderung, aus der die „Harzreise“hervorging, hatte Heine brieflich um eine kurze Audienz bei dem älteren Kollegen gebeten: „Ich will nur Ihre Hand küssen und dann fortgehen“. Tatsächlich ist der Besuch wohl nur von kurzer Dauer gewesen, und man weiß nicht, was gesprochen wurde. Goethe vermerkte: „Heine von Göttingen“. Es waren die einzigen Worte, die er jemals über Heine äußerte. Noch weniger aber hörte man zunächst von dem jungen Dichter aus Düsseldorf. Heines Satz über das wohlschmeckende Bier in Weimar sei eine deutlich markierte Leerstelle, erläuterte Liedtke. Ein Hinweis darauf, dass Anderes dort bekömmlicher war als die Unterhaltung mit Goethe.
Zwölf Jahre nach seinem Besuch in Weimar äußerte sich der inzwischen auf Heinrich getaufte Heine dann doch über Goethe. Einerseits „ein Bild menschlicher Hinfälligkeit“habe seine Erscheinung dennoch „imposant, nicht christlich demütig“gewirkt. So sehr, dass der junge Besucher „nahe dran war, ihn griechisch anzusprechen“. Das habe er aber nicht getan, sondern ihm nur gesagt, dass die sächsischen Pflaumen gut schmeckten. So wie eben das Bier in Weimar.