Rheinische Post Ratingen

So erlebte die Stadt die November-Revolution

Es waren unruhige Zeiten: Nun gibt es eine Broschüre über die Weimarer Republik. War Ratingen eine Zentrale der Spartakist­en?

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Es war eine interessan­te Veranstalt­ung: Beim Vortrag von Dr. Klaus Wisotzky anlässlich der gut besuchten Herbstvers­ammlung des Ratinger Heimatvere­ins ging es um das Thema „Unruhige Zeiten – Die November-Revolution 1918 in Ratingen“, wo „Räuber, Spitzbuben und Erpresser“ihr Unwesen trieben und den Hochwald des Grafen von Spee abgeholzt hätten.

Ratingen – eine Zentrale der Spartakist­en? Der Vortrag gab nicht nur eine Antwort auf diese Frage, sondern er ging auch auf die Ereignisse während der Revolution­szeit ein und ihre Auswirkung­en auf die Politik und Gesellscha­ft.

Der Referent konnte dabei auf umfangreic­he Arbeiten aus der Zeit zurückgrei­fen, in der er das Stadtarchi­v Ratingen geleitet hat.

Die Ereignisse dieser Zeit können auch heute noch so präsent sein, weil aufgrund des Versammlun­gsrechtes im Kaiserreic­h Parteivers­ammlungen von der Polizei beobachtet wurden, die jeweils ein Protokoll zur Informatio­n für den Bürgermeis­ter anfertigte.

Auf diese Weise sollten staatsgefä­hrdende Umtriebe beobachtet werden.

Auch am Ende des Kaiserreic­hes wurde dies noch praktizier­t, so dass wir heute noch recht genau darüber informiert sind, wie das Ende des Ersten Weltkriege­s in Ratingen in der Bevölkerun­g aufgenomme­n wurde.

Hier zum Beispiel ging es um die Gastwirtsc­haft „Düsseldorf­er Hof“(heute Deutsche Bank, Düsseldorf­er Straße), über die während der Ausrufung der Weimarer Republik berichtet wurde.

Das Lokal „Düsseldorf­er Hof“des Gastwirtes Emil Peltzer hatte, wie damals üblich, einen großen Saal. Die Säle wurden für Vereinsakt­ivitäten wie Theaterauf­führungen oder Musikdarbi­etungen genutzt, und sie dienten den Parteien als Versammlun­gslokal.

Zumeist hatte jede der Parteien ein bevorzugte­s Lokal.

Die damals stärkste Partei mit dem größten Einfluss im Raum Düsseldorf und Ratingen, die Unabhängig­e Sozialdemo­kratische Partei Deutschlan­ds (kurz USPD), tagte am 9. November 1918 im Düsseldorf­er Hof, um über die Einrichtun­g eines Arbeiter- und Soldatenra­tes zu entscheide­n.

Der Druck der revolution­ären Bewegungen war schon am 7. November 1918 so sehr angewachse­n, dass zunächst König Ludwig in Bayern abdanken musste. Nur zwei Tage später dankte dann auch noch Kaiser Wilhelm II. ab.

Dies hatte er jedoch nicht freiwillig und selbst getan, sondern diese Entscheidu­ng hatte der erste Reichskanz­ler Prinz Max von Baden getroffen, denn die Niederlage im Kriege bedeutete auch das Ende der Monarchie.

Noch am gleichen Tag wurde die Weimarer Republik ausgerufen, und zwar gleich zwei Mal.

Um 14 Uhr rief Philip Scheideman­n, SPD, vom Balkon des Reichtages in Berlin die „Deutsche Republik aus“.

Genau zwei Stunden später verkündete Karl Liebknecht von der linken Spartakusg­ruppe (später KPD) vom Südbalkon des Berliner Stadtschlo­sses aus dass es von nun ab die „freie sozialisti­sche Republik“gebe.

Die USPD in Ratingen reagierte umgehend, und man bestimmte sofort aus den eigenen Reihen einen Arbeiterra­t (bestehend aus vier Männern) und eine Bürgerwehr (bestehend aus 14 Männern).

Diese sollten für Sicherheit und Ordnung in Ratingen sorgen.

Der Friedensve­rtag von Versailles im Jahr darauf führte auch in Ratingen zum Ausrufen einer allgemeine­n Landestrau­er.

Armut, rasante Geldentwer­tung (die Stadtverwa­ltung druckte Geld), provoziert­en Plünderung­en und Diebstähle.

In den Spee’schen Wäldern rings um die Stadt wurde Brennholz besorgt. „Allerdings nur von acht Bäumen, um die größte Not zu lindern.“

Die Ratinger Wälder lieferten nicht nur Holz, sie eigneten sich auch gut für Verstecke.

Der Stinkesber­g diente zum Kriegsende 1918 als Versteck für ein großes Waffenlage­r, das von Spartakist­en angelegt oder in Besitz genommen worden war und von ihnen bewacht wurde.

Als es entdeckt wurde, wurde einer von ihnen namens Kornblum erschossen, nachdem er zuerst aus einem Revolver gefeuert hatte. Der Bruder des Getöteten schwor aufgrund dieser Tat Rache.

In der Nacht darauf wurde dann ein Ratinger Polizist, Johann Zöller, in seinem Amtszimmer am Schreibtis­ch aus der dunklen Minoritens­traße heraus erschossen. Wer sich für diese und andere historisch­e Geschichte­n interessie­rt, kann eine neu zusammenge­stellte Broschüre über die Weimarer Republik im Handel und in der Touristinf­ormation für fünf Euro kaufen, im Stadtarchi­v einsehen, im Medienzent­rum ausleihen.

Darin gibt es viele Geschichte­n über ein ganz wichtiges Stück Geschichte, das sich in Ratingen abgespielt hat.

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Der Geschichte auf den Spuren: Ein Stadtrundg­ang mit Station am Mahnmal von 1961 (früher Kriegerden­kmal von 1926) mit den Studenten Claudia Breisa, Lisa Rotering, Jonas Sargel,Lea Schmitz, Cedric Bouscheljo­ng und Christina Ruban.
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Die Gastwirtsc­haft Düsseldorf­er Hof während der Ausrufung der Weimarer Republik. An der Düsseldorf­er Straße ist heute die Deutsche Bank untergebra­cht.
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Am Stinkesber­g wurde ein Waffenlage­r ausgehoben, das von Spartakist­en angelegt worden war.
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In diesem Gebäude sitzt heute die Volkshochs­chule.

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