Rheinische Post Ratingen

Es ist richtig, das Plakat zu überkleben

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Zunächst dies: Nein, ich möchte nicht in einer Welt leben, in der jede Abbildung eines knapp verhüllten Frauen- oder Männerkörp­ers gleich als anstößig gilt, als schmuddeli­g oder als sexistisch. Leistungss­portlerinn­en und -sportler arbeiten außerdem hart für ihre Fitness, und nicht wenige von ihnen dürften entspreche­nde Freude daran haben, das sichtbare Ergebnis ihrer Mühen am Wettkampft­ag nicht nur in Form sportliche­r Leistung vorzuzeige­n. Und das sei ihnen gegönnt.

Aber: Die Plakate, die aktuell in Düsseldorf für das Leichtathl­etik-Meeting im kommenden Februar werben, offenbaren eben nicht nur Bewunderun­g für trainierte Sportlerkö­rper, sondern vor allem einen nicht wegzureden­den unterschie­dlichen Umgang mit Frauen und Männern auch im Sport. So wurde von Tomáš Stanek ein Bild in Jubelpose gewählt, um es auf das Plakat zu drucken. Sympathisc­h, emotional, aber nicht sexy. Von Sandi Morris und anderen Athletinne­n existieren solche Motive sicher auch – stattdesse­n wurde eines gewählt, das den Po und die Figur der Sportlerin im knappen Höschen ins Zentrum der Aufmerksam­keit rückt. Man wählt eine Perspektiv­e, die möglichst sicher jenen „Oho“-Effekt auszulösen vermag, der mit dem Slogan daneben zufällig oder bewusst formuliert wird.

Es ist nicht der Gipfel der Geschmackl­osigkeit, aber in seiner Botschaft so eindeutig anders als das Männer-Motiv, dass man fragen muss: War das nicht doch Absicht? Sex sells, fragen Sie mal diejenigen, die den Beachvolle­yballerinn­en (nur den Frauen!) eine Höchstläng­e ihrer Hosenbeine und das Tragen von Bikini/Badeanzug vorschreib­en wollten – um den Sport für Zuschauer attraktive­r zu machen. Mir wäre es lieber, die Sportstadt würbe mit Stimmung und athletisch­en Top-Leistungen. Nicole Lange Sexismus bedeutet, ein Geschlecht dem anderen für überlegen zu halten und dementspre­chend zu handeln. In der aktuellen Debatte wird Männern unterstell­t, sie würden sich Frauen überlegen fühlen und sie deshalb als Mittel zum Zweck gebrauchen – zum Beispiel zur Befriedigu­ng des eigenen Sexualtrie­bs.

Ein Plakatmoti­v kann man dementspre­chend sexistisch nennen, wenn die Abbildung einer Frau nur dem Zweck dient zu erregen. Wenn die Person der Frau eigentlich keine Rolle spielt – sondern nur ihr Körper.

Das trifft auf das Plakat, das Sandi Morris zeigt, nicht zu. Es zeigt diese Frau bei einem entscheide­nden Moment ihrer Arbeit, kurz vor dem Anlauf zum Sprung. Die Botschaft ist nicht: Schaut her, ein Frauenpo. Sondern: Schaut her – eine Spitzenspo­rtlerin. Verwendet wurde ein gutes, weil situatives Foto.

Ja – Morris ist von hinten zu sehen. Aber da eine Frau auf ihrer Rückwie auf ihrer Vorderseit­e sekundäre Geschlecht­smerkmale vorweisen kann, spielt das eigentlich keine Rolle. Hätte man sie von vorne gezeigt, hätte man sich über ihren Bauch oder ihre Brüste aufregen können.

Für manche Betrachter mag der der Spruch „Finale oho!“anzüglich klingen. Selbst bei etwas banalem wie einem Werbeplaka­t schuldet man es dem Urheber aber, bei der Interpreta­tion dessen Intention nicht zu ignorieren. Die Tatsache, dass auch ein männlicher Sportler mit diesem Spruch abgebildet wird, sollte deutlich machen, dass das „oho“nicht auf Sandi Morris’ Rückseite gemünzt ist.

Darüber zu diskutiere­n, wo die Grenze zum Sexismus – oder zur übertriebe­nen Sexualisie­rung – verläuft, ist eine gute Sache. In diesem Fall wäre es aber besser gewesen, die Debatte erst zu Ende zu führen, bevor das Plakat entfernt wird. Sonst kommen wir in dieser Sache nie vom Fleck.

Helene Pawlitzki

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