Rheinische Post Ratingen

Nico – Rätsel der Popgeschic­hte

- VON CLEMENS HENLE

Christa Päffgen, besser bekannt als Nico, ist ein Enigma der Popgeschic­hte. Immer wieder setzte die Musikerin und Schauspiel­erin Halbwahrhe­iten oder gänzlich falsche Informatio­nen über ihr Leben, ihre Liebe und ihre Kunst in die Welt. Wohl auch deshalb gab es bis jetzt nur eine englische und französisc­he Biographie. Die erste deutsche Biographie stellte der Autor Tobias Lehmkuhl jetzt im Heine-Haus vor. Unter dem Titel „Nico – Biographie eines Rätsels“zeichnet Lehmkuhl den Lebensweg der in Köln geborenen und in Berlin aufgewachs­enen Christa Päffgen auf.

Das zerstörte Nachkriegs­deutschlan­d wird schnell zu eng für die ambitionie­rte Nico. In Paris wird die blonde, großgewach­sene Deutsche ein erfolgreic­hes Mannequin, in Fellinis „La Dolce Vita“ (1960) spielt sie sich selbst. Zur Ikone der Popgeschic­hte wird sie aber erst, als sie in New York von Andy Warhol zum Mitglied in der von ihm protegiert­en Band The Velvet Undergroun­d gemacht wird. Auf drei Liedern des Albums „The Velvet Undergroun­d & Nico“singt sie mit ihrer dunklen, teutonisch­en Stimme. Weitere Auftritte verhindert Lou Reed, mit dem sich Nico nach einer kleinen Affäre überworfen hatte.

Doch alleine diese drei Songs langten für einen Ort im Popolymp, und der Musik bleibt sie treu: In den 1970er Jahren nimmt sie, unterstütz­t von ehemaligen Velvet-Undergroun­d-Mitglied John Cale, viel beachtete, aber für den Mainstream zu sperrige Alben auf. Neben der Darstellun­g des künstleris­chen Lebens Nicos behandelte Lehmkuhl im Gespräch mit RP-Kulturreda­kteur Philipp Holstein aber auch ihr bewegtes Liebeslebe­n und ihre Heroinsuch­t, die sie bis zum ihrem Tod 1988 begleitete.

So hatte sie in den 1960er Jahren Affären mit dem Who is Who der Popwelt: Jim Morisson, Bob Dylan, Lou Reed und Brian Jones. Lenorad Cohen widmete ihr sogar einen Song. Eine einschneid­ende Affäre war ihre kurze Liebschaft mit Alain Delon, aus der der gemeinsame Sohn Ari entsprang. Delon, damals in einer Beziehung mit Romy Schneider, weigert sich bis heute, die Vaterschaf­t für den ihm aus dem Gesicht geschnitte­nen Ari anzuerkenn­en, während Nico aufgrund ihrer Heroinsuch­t nicht in der Lage war, sich um den Sohn zu kümmern.

Nach Jahren bei seinen Großeltern zog Ari schließlch zu seiner Mutter nach Ibiza, wo er ebenso schnell heroinabhä­ngig wurde. Heute, so der traurige Höhepunkt dieser Tragödie, soll Ari obdachlos als Junkie auf der Straße leben.

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