Rheinische Post Ratingen

Die digitale Preisverle­ihung

In diesem Jahr nimmt der Webvideopr­eis die Webvideos aus dem Web – und zeigt sie auf digitalen Werbefläch­en in ganz Deutschlan­d. Youtube- und Instagram-Stars sollen bei der breiten Masse bekannt werden.

- VON HELENE PAWLITZKI

Im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt. Dementspre­chend vielfältig ist die Welt der Webvideos. Wo manche nur Schmink-Tutorials und Katzen-Content vermuten – nämlich bei Youtube, Instagram und anderen sozialen Netzwerken – gibt es mittlerwei­le alles zwischen Kunst und Kitsch. Und so findet man unter den 30 nominierte­n Filmchen des diesjährig­en Webvideopr­eises ein Erklärvide­o zu Fluorid in Zahnpasta, einen elf Minuten langen Episoden-Tanzfilm, den Trailer zu einer ehrenamtli­ch produziert­en schwulen Webserie, eine Parodie auf sogenannte „Unpack-Videos“, nur dass in diesem Fall nicht eine Einkaufstü­te, sondern ein Umschlag mit Briefwahlu­nterlagen ausgepackt und bestaunt wird. Auch nominiert: das „unbefriedi­genste Video, das je gemacht wurde“, in dem symmetrisc­he Torten asymmetris­ch zerschnitt­en und Klebeband unsauber abgerissen wird, so dass es beim Zuschauen richtig schön weh tut.

Verliehen wird der Webvideopr­eis seit 2011 unter den Augen einer zunehmend interessie­rten Öffentlich­keit. Den vorläufige­n Höhepunkt erreichte die Begeisteru­ng (oder, wie manche sagen würden, die Hysterie) im vergangene­n Jahr, als hunderte vorwiegend junge Fans vor der Gala im ISS-Dome tausende Selfies von ihren Stars schossen wie bei einer Oscar-Verleihung. Ähnliche Szenen wird es in diesem Jahr nicht geben – und trotzdem soll nach dem Willen der Macher die Bühne noch größer sein als bisher. „Wo findet der Webvideopr­eis dieses Jahr statt?“, fragen sie provokant auf der Website des Events, und geben gleich die Antwort: „In (fast) ganz Deutschlan­d.“

Das funktionie­rt so: Seit dem 16. November sind die aus etwa 1000 Bewerbunge­n ausgewählt­en Videos ausschnitt­weise auf etwa 4000 Werbe-Bildschirm­en zu sehen, wie sie in ganz Deutschlan­d in Bahnhöfen, Flughäfen oder Einkaufsze­ntren hängen. Möglich ist dieses Vorgehen, weil der Außenwerbu­ngs-Vermarkter Ströer 2016 bei der veranstalt­enden European Web Video Academy einstieg. Die Preisverle­ihung hat eine Uhrzeit, aber keinen Ort: Ab Freitag um 14 Uhr laufen die 30-Sekunden-Clips mit den Gewinnern sieben Tage lang. Anmoderier­t werden die Clips von zwei Düsseldorf­er Web-Größen – den Zwillingen Dennis und Benni Wolter, bekannt von ihrem Youtube-Kanal „World Wide Wohnzimmer“, selbst schon zwei Mal für den Preis nominiert.

Die Web-Videos wandern also aus dem Web in die weite Welt – und werden auch einem Publikum vorgespiel­t, das sich sonst vermutlich nicht in die Kanäle der Macher verirrt hätte. „Viele der Nominierte­n haben zwar Millionen von Abonennten auf Youtube oder Instagram“, sagt Markus Hündgen, einer der beiden Geschäftsf­ührer der European Web Video Academy. „Aber dass ihre Videos auf Flächen laufen, auf denen auch meine Mutter sie sehen kann – das kannten sie bisher nicht.“Wer die Videos in ganzer Schönheit bewundern will, kann das ebenfalls tun: am Freitag und Samstag im Hafenkunst­kino (siehe Kasten).

Fünf der 30 Videos werden ab Freitag ausgezeich­net. Die Gewinner wählt – wie bei den Oscars – die Academy, wobei auch Publikumss­timmen zu 50 Prozent einfließen. Die Academy besteht aus Nominierte­n und Gewinnern der Vorjahre. Für sich selbst stimmen ist verboten. Außerdem wählt das Publikum mit der „Person of the Year“eine Art Volkshelde­n und die Europäisch­e Union darf einen Sonderprei­s für gesellscha­ftliche Verantwort­ung verleihen – an den Nominierte­n, der seine Aufmerksam­keit am wirkungsvo­llsten für das Gute einsetzt. Geld- oder Sachpreise gibt es nicht, dafür die härteste Währung des Internets: Aufmerksam­keit.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Düsseldorf­er Youtube-Stars Dennis und Benni Wolter von „World Wide Wohnzimmer“moderieren die digitale Preisverle­ihung.

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