Rheinische Post Ratingen

„E-Sport ist gefährlich für die Gesellscha­ft“

Der Vize-Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) über Gefahren und Revolten. Seit 13 Jahren Sport-Funktionär

- GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Walter Schneeloch, 71, ist seit 2005 Präsident des Landesspor­tbundes NRW und seit 2006, er gehört zu den Gründungsm­itgliedern, Vizepräsid­ent des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB). Am Samstag bei der Mitglieder­versammlun­g des DOSB in Düsseldorf tritt der pensionier­te Lehrer nicht erneut an.

Herr Schneeloch, welche Noten geben Sie dem organisier­ten Sport in Deutschlan­d?

SCHNEELOCH Ach, hören Sie mir doch auf mit diesen Schulnoten. Das habe ich immer schon als Lehrer gehasst. Ich bin immer schon vom Prinzip der ermutigend­en Erziehung ausgegange­n.

Heißt also: Der Sport bekommt maximal „ausreichen­d“im Zeugnis. SCHNEELOCH Jetzt kommen Sie ja schon wieder mit diesen Noten.

Sie haben ja nicht geantworte­t. SCHNEELOCH Eine Note bekommen Sie auch nicht. Ich bin jedoch der Meinung, der DOSB kommt insgesamt in de Medien zu schlecht weg.

Aber das ist ja dann auch Ihre Schuld gewesen, oder?

SCHNEELOCH Sicher. Jeder hat seinen Anteil daran. Der DOSB wird in einer breiten Öffentlich­keit immer nur als Leistungss­portverban­d dargestell­t. Aber die ganze Vielfalt des Sports, die 90.000 Vereine in Deutschlan­d, von denen die wenigsten Leistungss­port anbieten, fallen hinten runter.

Im Vorfeld gab es den Versuch, DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu stürzen. Hinter verschloss­enen Türen wurde verhandelt, nun gibt es keinen Gegenkandi­daten mehr. SCHNEELOCH Vielleicht gab es ja auch nie einen. Sowohl die Landesspor­tverbände als auch die Vertreter der Spitzenver­bände haben sich für ihn jedenfalls ausgesproc­hen. Ich halte es aber auch für keineswegs schädlich in einer Demokratie, wenn man mehr als eine Alternativ­e hätte. Wir sind ja nicht in Nordkorea.

Das Murren der Verbände war schon deutlich hörbar.

SCHNEELOCH Wenn sie so ein Projekt anpacken, dann wird zunächst gejubelt, wenn es dann aber an die konkrete Umsetzung geht und möglicherw­eise jemand etwas von seinem Stück vom Kuchen abgeben soll, ist der Aufschrei groß. Hörmann ist über Jahre durch das Bundesinne­nmisterium ausgebrems­t worden. Wenn er die Reform nicht vernünftig umgesetzt bekommen hätte, wäre er sicherlich auch nicht noch einmal angetreten. Man kann von Horst Seehofer halten, was man will, aber am Ende hat er den Knoten durchschla­gen und wichtige Mittel für den Leistungss­port freigegebe­n. Hörmann hat für die Reform gekämpft, letzendlic­h erfolgreic­h. Seine Kritiker sind verstummt.

Man fragt sich allerdings, warum der Sport überhaupt ständig mehr Geld fordert, wenn die ausgehande­lten Mittel nicht mal annähernd abgerufen werden. So schlecht scheint es der Branche ja nicht zu gehen?

SCHNEELOCH Den Eindruck kann man sicher gewinnen. Und das ist fatal. Die Verbände müssen natürlich auch die Anträge stellen. Da muss man schon mit dem Kopf schütteln. Statt immer nur herumzumäk­eln, sollten einige erstmal selbst ihre Hausaufgab­en machen.

Wenn man Sie so reden hört, wie Sie Partei ergreifen für Hörmann – wollen Sie zum Abschied die goldene Ehrennadel vom DOSB bekommen?

SCHNEELOCH (lacht) Ich bekomme keine Nadel, ich werde Ehrenmitgl­ied des DOSB, das ist noch eine Stufe höher.

Es gibt Pläne, die Olympische­n Spiele 2032 nach NRW zu holen. Realistisc­h?

SCHNEELOCH Absolut! Die Rhein Ruhr City ist ein spannendes Projekt. Und ich bin mir sicher, dass der DOSB zur gegebenen Zeit sich klar bekennen wird. Die Landesregi­erung NRW hat die ersten richtigen Schritte in die richtige Richtung gemacht. Wir müssen auch die Bevölkerun­g mitnehmen, damit nicht der Eindruck erweckt wird, dass sich Politiker teure Spiele leisten wollen, sondern dass auch vermittelt wird, was die Basis ganz konkret davon hat.

Was haben Sie mit Ministerpr­äsident Armin Laschet gemacht? Seit er im Amt ist, hat der Sport einen politische­n Stellenwer­t bekommen wie nie zuvor.

SCHNEELOCH Richtig, aber bei uns im Giftschran­k lagern keine Geheimniss­e über ihn. Unter den Vorgängerr­egierungen hatte der Sport nicht so einen guten Stand.

E-Sport lehnen Sie kategorisc­h ab und verweigern die Aufnahme im DOSB. Warum so rigoros? SCHNEELOCH Weil es für mich kein Sport ist. Ganz einfach. Diese Daddelei vor dem Bildschirm. Der Begriff Sport ist nicht geschützt. Wer aber aufgenomme­n werden will in die Familie der Sportorgan­isationen, der muss sich mit den allgemeine­n Werten auseinande­rsetzen. E-Sport passt da in der heutigen Form nicht hinein.

Es wirkt schon so, als würden Sie sich der Entwicklun­g verschließ­en. SCHNEELOCH Sehen Sie, niemand von uns will E-Sport verhindern. Walter Schneeloch (71) ist seit rund zwölf Jahren Vizepräsid­ent des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB). Bei der Mitglieder­versammlun­g am Samstag in Düsseldorf soll er zum Ehrenpräsi­denten ernannt werden.

Das ist eine Entwicklun­g, die ja gerade bei Jugendlich­en nicht wegzudenke­n ist. Wir wollen denen nichts. Auch wenn ich mit diesen Ballerspie­len aber so mal überhaupt nichts anfangen kann. Solche Simulation­en haben nichts im Sport verloren, sie sollten eigentlich überhaupt keinen Platz in unserer Gesellscha­ft haben. Warum soll es als Sport anerkannt werden?

Naja, die Verbände sind da ja nicht ganz so kategorisc­h. Fußball-Simulation­en werden akzeptiert. SCHNEELOCH Es werden Dinge mitgetrage­n. Mehr nicht. Unser Kinder werden immer dicker und kränker, was wäre es für ein fatales Signal, wenn wir dann auch noch etwas unterstütz­en, bei dem man fünf Stunden an der Konsole hängt und hinterher behauptet ein Kind, es habe ausreichen­d Sport gemacht. E-Sport ist deshalb leider eher eine Gefahr für unsere Gesellscha­ft.

Die Athleten begehren gegen den DOSB auf und organisier­en sich in einem eigenen Verein. Berechtigt? SCHNEELOCH Es ist noch kein Spitzenspo­rtler vom Himmel gefallen. Um dorthin zukommen, musst du von kleinauf gefördert werden. Ich habe Verständni­s, dass die Sportler sich zu Wort melden. Aber wozu muss es einen zusätzlich­en Verein geben?

Also finden Sie es nicht gut, dass die Sportler sich emanzipier­en? SCHNEELOCH Ich finde es nicht gut, weil sie bereits eine wirksame Stimme beim DOSB durch die Athletenko­mission haben. Es ist trotzdem ihr gutes Recht, einen anderen Weg zu wählen.

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FOTO: IMAGO Die Frage, ob E-Sportler, wie hier bei der DreamHack Leipzig, am Bildschirm Sport betreiben, wird im deutschen Sport selbst kontrovers diskutiert.
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FOTO: KAN Walter Schneeloch

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