Wim Wenders besucht „sein“Gymnasium
Nachdenklich, nahbar und humorvoll präsentierte sich der Filmemacher Lehrern, Eltern und Schülern in Oberbilk.
Wie es ist, dem Namensgeber seiner Schule gegenüber zu stehen, ist eine seltene Erfahrung. Goethe, Humboldt, der heilige Suitbertus – sie sind zwar ziemlich prominent, anfassen kann man aber nur noch ihre Büsten und Bilder. Bei Wim Wenders ist das anders. Der weltbekannte Filmemacher ( „Paris, Texas“, „Der Himmel über Berlin“) war am Freitag in dem nach ihm benannten Oberbilker Gymnasium einer zum Anfassen, einer, dem man Fragen stellen, mit dem man reden und auch einen Spaß machen konnte. „Wie viele Filme haben Sie gedreht?“, wollte beispielsweise Lennart, Sechstklässler und Mitglied der Schülervertretung, wissen. Wenders muss nachdenken und landet bei 30 oder etwas mehr. „Mit den Kurzen waren es 64“, hilft Max aus der fünften Klasse ihm auf die Sprünge. Ob er denn auch Action-Filme mache, will Lennart noch wissen. Nein, damit kann Wenders nicht dienen. Tröstlich immerhin, dass er mit einem Schauspieler gearbeitet hat, der im Film X-Man mitgespielt hat.
Wenders hängt an Düsseldorf, das er als Schüler verlassen musste, weil sein Vater Chefarzt einer Klinik in Oberhausen wurde. „Ich weiß nicht, ob ich eine solche Namenspatenschaft in einer anderen Stadt übernommen hätte – wohl eher nicht“, sagt er. In einem fast eineinhalbstündigen Gespräch mit Eltern und Lehrern wird deutlich, dass ihn die Stadt seiner Kindheit bis heute berührt. In Urdenbach („schon gefährlich nah an Köln“) ist er zur Grundschule gegangen. „Eine tolle Zeit mit vielen guten Freunden“, sagt er. Den Übergang auf das Schloß-Gymnasium in Benrath empfand er zunächst als Trauma. „Weil ich dort niemanden kannte, kein anderer war mit mir dorthin gewechselt.“Doch bald fand er die neue Schule großartig. „Wir wurden in einem Flügel des Schlosses unterrichtet, mein Schulweg führte durch den Park“, erinnert er sich. Viele Jahre später erklärte er dem französischen Präsidenten François Mitterrand bei einer privaten Vorführung von „Paris, Texas“in dessen Amtszimmer im Élysée-Palast ein Bild, auf dem sein Klassenzimmer zu sehen war. Das Werk zeigte tatsächlich Schloss Benrath – inklusive des Flügels, in dem einmal das SchloßGymnasium untergebracht war.
Das Thema Schule umtreibt den Filmemacher aber weit über die Jugenderinnerungen hinaus. „Das Meiste für das Leben lernt man genau in dieser Zeit, und zwar mehr noch von den Mitschülern als von den Lehrern“, sagt Wenders. Den Kunstunterricht nennt er mit Blick auf seine eigene Vita sogar „lebensentscheidend“. Aus ihm heraus sei unter anderem die Schülerzeitung entstanden, deren Chefredakteur er wurde. Sorgen macht er sich über einen Bereich, der über die Jahrzehnte zu seinem Leben geworden ist: die Wirkung der Bilder. „In Hochpotenz“stürzten Eindrücke auf Heranwachsende ein, oft seien Eltern überfordert, überließen den Nachwuchs eben diesen Bilden aus der digitalen Welt, einfach um in einem immer stressigeren Alltag einfach mal eine halbe Stunde Ruhe zu haben. Aktuelle Berichte über die Schäden, die die Nutzung digitaler Medien auslösen könnten, hätten ihn erst vor wenigen Tagen „durchgeschüttelt.“Und genau da komme die Schule ins Spiel. Sie müsse – mehr denn je – soziale und mediale Kompetenz zu ihrem Kernanliegen machen, damit Kinder in der Welt jenseits des Schulhofs keinen Schaden nehmen. Ob er denn nicht bald einen Film über das Thema Schule drehen möchte, wollte eine Mutter
wissen. „Das weiß ich noch nicht“, antwortet Wenders, dessen Nichte Hella bereits zwei Dokumentarfilme über die integrative Schule „Berg Fidel“in Münster gemacht hat. Aber dem Wim-Wenders-Gymnasium auch weiterhin zur Seite stehen – das will er auf jeden Fall.
Für das Konzept von Schulleiterin Antonietta Zeoli gab es an diesem besonderen Tag nicht nur Lob vom Namensgeber, sondern auch von Oberbürgermeister Thomas Geisel und von Schuldezernent Burkhard Hintzsche. „Dieses Projekt ist ein voller Erfolg.“