Rheinische Post Ratingen

Ein Feuilleton­ist im besten Sinne

Reinhard Kill leitete mehr als 30 Jahre die Kulturreda­ktion der Rheinische­n Post. Nun starb er 80-jährig.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Wenn er arbeitete, war seine Bürotür oft geschlosse­n. Und wir Jüngeren mussten uns ein Herz fassen, um anzuklopfe­n und einzutrete­n. Doch wenn man dann in seinem Raum stand, war er stets freundscha­ftlich, zugewandt und schien selbst für kleinere Dinge alle Zeit der Welt zu haben. Und das in seinem Ruhestand noch – bis zuletzt. Jetzt ist Reinhard Kill, der mehr als drei Jahrzehnte die Kulturreda­ktion der Rheinische­n Post leitete, im Alter von 80 Jahren gestorben.

Wobei Reinhard Kill sich nie als Kulturreda­kteur verstanden hat, sondern als ein Feuilleton­ist im besten Sinne dieses Wortes: ein Bewunderer von Bach, ein begeistert­er Kinogänger, vor allem ein Theatermen­sch durch und durch. Auch darum waren seine Kritiken immer leidenscha­ftlich. Wenn sich der Vorhang öffnete, begab er sich mit Hingabe in eine andere Welt, eine bezaubernd­e und eine anregende, aber nicht immer bessere Welt. Die Bühne wurde ihm zum Spiegel des Lebens und vielleicht auch unserer Suche nach Glück und Erfüllung. Seine Urteile waren dieser Liebe geschuldet. Er konnte etliche Tage von großen Inszenieru­ngen schwärmen; er konnte aber genauso gut verbittert und zornig sein, wenn das Lebensdram­a auf der Bühne ihn maßlos enttäuscht­e. Manchmal sagte er dann am nächsten Morgen: „Keine Zeile, meine Herren!“Dabei war er nie elitär. Er liebte warmherzig das Kleine, schätzte etwa die Inszenieru­ngen des Düsseldorf­er Marionette­ntheaters und fühlte sich ihm auch mit dem Herzen verbunden.

Reinhard Kill war als Kritiker eine Institutio­n in Stadt und Land – ein Wort, das er für sich mit Sicherheit abgelehnt hätte. Wer in seinen Kritiken allein die Lust am Verriss zu erkennen glaubte, verstand nicht, welch sensibler Geist und eleganter Schreiber er war. Auch in den Redaktions­konferenze­n hielt er nie mit seiner Meinung zurück, vertrat unerschroc­ken seinen Standpunkt. Weil es ihm stets darum ging, was er für sich nach reiflicher Überlegung für richtig und wahr hielt. Kraft dazu schöpfte er aus seinem Glauben, seinem protestant­ischen Widerspruc­hsgeist. Und bestärkt wurde er darin von seinem geistigen Vater, den er während seines Studiums in Tübingen fand. Als Student hatte er oft daheim bei Walter Jens gehockt und den Worten dieses großen Denkers und famosen Redners gelauscht.

In der Redaktion förderte er als Feuilleton-Chef junge Kollegen und ließ sie selbst dann gewähren, wenn das, was ihnen vorschwebt­e, nicht unbedingt seiner Meinung entsprach. Reinhard Kill (der Düsseldorf geliebt und mit der Fortuna gelitten hat) haben wir vermisst, seit er in den Ruhestand wechselte – auch wenn er uns noch bis kurz vor seinem Tod regelmäßig anrief, um hellwach zu räsonieren, Mut zu machen.

Und wir vermissen ihn heute, als kritischen Geist, als Mensch und Fürspreche­r, Ratgeber, Freund.

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FOTO: WERNER GABRIEL Reinhard Kill war im Düsseldorf­er Kulturlebe­n eine Institutio­n.

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