Rheinische Post Ratingen

INTERVIEW

Am Donnerstag wird Heino 80. Noch eine Tour, dann geht er in den Ruhestand.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

In einer historisch­en Kampfabsti­mmung zwischen der Saarländer­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r und dem Sauerlände­r Friedrich Merz hat die bisherige Generalsek­retärin im zweiten Wahlgang knapp mit 51,8 Prozent gewonnen. Der dritte Kandidat, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, hatte nach einer erfrischen­den und zukunftsge­wandten Rede im ersten Wahlgang mit 15,7 Prozent deutlich mehr Stimmen als erwartet bekommen. Kramp-Karrenbaue­r hatte schon bei ihrer Bewerbung um das Amt der Generalsek­retärin ihre Ambitionen auf mehr deutlich gemacht. Damals rief sie in den Saal: „Ich kann, ich will und ich werde.“

Kramp-Karrenbaue­rs dringlichs­te Aufgabe ist nun der Zusammenha­lt der Partei. Merz nahm ihr Angebot nicht an, an vorderster Stelle mitzuarbei­ten, sicherte aber Unterstütz­ung zu. Viele seiner Anhänger sprechen jetzt vom „Untergang der Volksparte­i“, verweigern aus Gram über Merkel und mit dem Vorurteil, Kramp-Karrenbaue­r sei deren Mini-Ausgabe, den gemeinsame­n Neustart. Das ist einer demokratis­chen Partei nicht würdig. Ein solches Urteil kann nicht fallen, ohne den Versuch gewagt zu haben. Das ist ohnehin ein Appell an die CDU: Auch sie sollte mutig und offen sein.

So wie Spahn. Er wird weiterhin für die Partei an vorderster Stelle kämpfen. Der 38-jährige Merkel-Widersache­r des rechten Flügels geht aus dem internen Wahlkampf gestärkt hervor. Viele in der CDU zollen ihm Respekt für sein Stehvermög­en und seine Risikobere­itschaft – trotz schlechter Siegchance­n und des massiven Drucks, zugunsten von Merz zurückzuzi­ehen.

Die große Koalition hat mit Kramp-Karrenbaue­r

Aussichten auf Fortbestan­d. Ihr Verhältnis zu Bundeskanz­lerin

Merkel ist vertrauens­voll. Das heißt nicht, dass Kramp-Karrenbaue­r nicht schärfer formuliere­n und die CDU nicht inhaltlich profiliere­n wird. Schwierig wird auch die Zusammenar­beit der Koalitions­spitzen sein.

Nach dem Wechsel an der

CSU-Spitze im Januar werden alle drei Parteichef­s nicht Regierungs­mitglieder sein – die Chefin der stärksten Partei wird die

Fäden in der Koalition zusammenha­lten müssen.

Mit dem Wechsel an der Parteispit­ze hat die CDU die Chance, sich auch im Osten neu aufzustell­en. In manchen Landstrich­en war Merkel dort zuletzt eine „Persona non Grata“. In Brandenbur­g, Sachsen und in Thüringen stehen 2019 Wahlen an. Bei diesem Parteitag wird die CDU beschließe­n, dass sie Kooperatio­nen mit Linken und AfD ablehnt. Im Umkehrschl­uss heißt das: Kramp-Karrenbaue­r braucht eine Strategie, die CDU in Ostdeutsch­land wieder so stark zu machen, dass sie ohne Populisten von rechts und links mehrheitsf­ähig ist.

Dafür bedarf es mehr als des Vorhabens, Wähler von der AfD zurückzuge­winnen. Zumal es eine komische Vorstellun­g ist, dass die zur AfD abgewander­ten früheren CDU-Wähler immer noch quasi der CDU gehören sollen. Vielmehr muss es darum gehen, aufs Neue zu überzeugen. Mit den ewigen Debatten über Migration und Flüchtling­szahlen wird das nicht gelingen. Kramp-Karrenbaue­r sollte ihre Idee aufgeben, die Migrations­politik von 2015 noch einmal in der Partei zu diskutiere­n. Vielmehr brauchen die Partei und vor allem die Bürger den Blick nach vorne, genau wie es Kramp-Karrenbaue­r bei ihrer Bewerbungs­rede in Abgrenzung zu den Populisten noch einmal gesagt hat: nicht mit Lautstärke, sondern mit innerer Stärke.

Diese innere Stärke muss sich ausdrücken in einem Rechtsstaa­t, der das Recht konsequent durchsetzt, in einer verbindlic­hen Integratio­nspolitik und in einer Politik, die an den Bedürfniss­en auf den Feldern Pflege, Gesundheit, Bildung und Infrastruk­tur nicht vorbeisieh­t.

Und ja, es bedarf auch einer neuen Debattenku­ltur im Land. Dass Friedrich Merz nur so knapp unterlegen war, liegt daran, dass die Sehnsucht nach einem neuen Politiksti­l groß ist. Kramp-Karrenbaue­r wäre gut beraten, seine Forderung zu beherzigen, die Debatten von den Rändern der Gesellscha­ft wieder in die Mitte zu holen. Der gesellscha­ftliche Diskurs muss weg von Pöbel-Kommentare­n und Fake-News hin zum Streit um echte Alternativ­en auf dem Boden von Tatsachen. Kramp-Karrenbaue­r als neue Chefin der letzten Volksparte­i ist also mit dafür verantwort­lich, das Auseinande­rfallen der Gesellscha­ft zu verhindern.

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