INTERVIEW
Am Donnerstag wird Heino 80. Noch eine Tour, dann geht er in den Ruhestand.
In einer historischen Kampfabstimmung zwischen der Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Sauerländer Friedrich Merz hat die bisherige Generalsekretärin im zweiten Wahlgang knapp mit 51,8 Prozent gewonnen. Der dritte Kandidat, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, hatte nach einer erfrischenden und zukunftsgewandten Rede im ersten Wahlgang mit 15,7 Prozent deutlich mehr Stimmen als erwartet bekommen. Kramp-Karrenbauer hatte schon bei ihrer Bewerbung um das Amt der Generalsekretärin ihre Ambitionen auf mehr deutlich gemacht. Damals rief sie in den Saal: „Ich kann, ich will und ich werde.“
Kramp-Karrenbauers dringlichste Aufgabe ist nun der Zusammenhalt der Partei. Merz nahm ihr Angebot nicht an, an vorderster Stelle mitzuarbeiten, sicherte aber Unterstützung zu. Viele seiner Anhänger sprechen jetzt vom „Untergang der Volkspartei“, verweigern aus Gram über Merkel und mit dem Vorurteil, Kramp-Karrenbauer sei deren Mini-Ausgabe, den gemeinsamen Neustart. Das ist einer demokratischen Partei nicht würdig. Ein solches Urteil kann nicht fallen, ohne den Versuch gewagt zu haben. Das ist ohnehin ein Appell an die CDU: Auch sie sollte mutig und offen sein.
So wie Spahn. Er wird weiterhin für die Partei an vorderster Stelle kämpfen. Der 38-jährige Merkel-Widersacher des rechten Flügels geht aus dem internen Wahlkampf gestärkt hervor. Viele in der CDU zollen ihm Respekt für sein Stehvermögen und seine Risikobereitschaft – trotz schlechter Siegchancen und des massiven Drucks, zugunsten von Merz zurückzuziehen.
Die große Koalition hat mit Kramp-Karrenbauer
Aussichten auf Fortbestand. Ihr Verhältnis zu Bundeskanzlerin
Merkel ist vertrauensvoll. Das heißt nicht, dass Kramp-Karrenbauer nicht schärfer formulieren und die CDU nicht inhaltlich profilieren wird. Schwierig wird auch die Zusammenarbeit der Koalitionsspitzen sein.
Nach dem Wechsel an der
CSU-Spitze im Januar werden alle drei Parteichefs nicht Regierungsmitglieder sein – die Chefin der stärksten Partei wird die
Fäden in der Koalition zusammenhalten müssen.
Mit dem Wechsel an der Parteispitze hat die CDU die Chance, sich auch im Osten neu aufzustellen. In manchen Landstrichen war Merkel dort zuletzt eine „Persona non Grata“. In Brandenburg, Sachsen und in Thüringen stehen 2019 Wahlen an. Bei diesem Parteitag wird die CDU beschließen, dass sie Kooperationen mit Linken und AfD ablehnt. Im Umkehrschluss heißt das: Kramp-Karrenbauer braucht eine Strategie, die CDU in Ostdeutschland wieder so stark zu machen, dass sie ohne Populisten von rechts und links mehrheitsfähig ist.
Dafür bedarf es mehr als des Vorhabens, Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Zumal es eine komische Vorstellung ist, dass die zur AfD abgewanderten früheren CDU-Wähler immer noch quasi der CDU gehören sollen. Vielmehr muss es darum gehen, aufs Neue zu überzeugen. Mit den ewigen Debatten über Migration und Flüchtlingszahlen wird das nicht gelingen. Kramp-Karrenbauer sollte ihre Idee aufgeben, die Migrationspolitik von 2015 noch einmal in der Partei zu diskutieren. Vielmehr brauchen die Partei und vor allem die Bürger den Blick nach vorne, genau wie es Kramp-Karrenbauer bei ihrer Bewerbungsrede in Abgrenzung zu den Populisten noch einmal gesagt hat: nicht mit Lautstärke, sondern mit innerer Stärke.
Diese innere Stärke muss sich ausdrücken in einem Rechtsstaat, der das Recht konsequent durchsetzt, in einer verbindlichen Integrationspolitik und in einer Politik, die an den Bedürfnissen auf den Feldern Pflege, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur nicht vorbeisieht.
Und ja, es bedarf auch einer neuen Debattenkultur im Land. Dass Friedrich Merz nur so knapp unterlegen war, liegt daran, dass die Sehnsucht nach einem neuen Politikstil groß ist. Kramp-Karrenbauer wäre gut beraten, seine Forderung zu beherzigen, die Debatten von den Rändern der Gesellschaft wieder in die Mitte zu holen. Der gesellschaftliche Diskurs muss weg von Pöbel-Kommentaren und Fake-News hin zum Streit um echte Alternativen auf dem Boden von Tatsachen. Kramp-Karrenbauer als neue Chefin der letzten Volkspartei ist also mit dafür verantwortlich, das Auseinanderfallen der Gesellschaft zu verhindern.