Rheinische Post Ratingen

Wie der „schöne Playboy“Düsseldorf­er wurde

Vor 50 Jahren eroberte „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“die Hitparade – ein Schlager, der das Image der Stadt prägte.

- VON HELENE PAWLITZKI

Wärst du doch in Düsseldorf geblieben! Schöner Playboy, du wirst nie ein Cowboy sein...

Woher hat Düsseldorf eigentlich dieses Image, Heimat von Schnöseln zu sein? Böse Zungen behaupten, es liege, nun ja, ein klitzeklei­nes bisschen daran, dass Düsseldorf als Mode- und Shoppingst­adt Menschen anziehe, bei denen der Schein vor dem Sein komme.

Was auch immer der Ursprung der äußerst üblen Verleumdun­g ist – zur Verbreitun­g beigetrage­n hat ganz sicher „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“. Mit ihm gewann Interpreti­n Dorthe im Jahr 1968 den zweiten Platz beim Deutschen Schlager-Wettbewerb – damals ein Garant für kommerziel­len Erfolg. Der Song landete im August auf Platz zehn der Charts. Bis heute geht er ins Ohr und in die Beine – auf Schlagerpa­rtys, in Schützenze­lten, bei Karnevalsb­ällen im ganzen Rheinland. Die Düsseldorf­er lieben ihn – die Nicht-Düsseldorf­er wohl noch mehr, nimmt er die Landeshaup­tstadt doch sanft auf die Schippe.

Dabei spielt „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“noch nicht mal in Düsseldorf – sondern irgendwo in den USA, auf einer Ranch in der Prärie. Besungen wird aber ein „schöner Playboy“, der sich als Reiter leider eher ungeschick­t anstellt – und deshalb das Herz der Interpreti­n verliert. Wär’ er doch nur in Düsseldorf geblieben! Da ist er wieder, der Vorwurf: Schein ohne Sein. Gelackte Schale – aber leider nichts dahinter.

Womit hat Düsseldorf das verdient? War der Textdichte­r Kölner? Oder selbst verschmäht­er Playboy? Warum wollte er Düsseldorf eins auswischen?

Gleich als ich ihn kommen sah, Dachte ich: Was will er da?

Was will so ein feiner Mensch

Hier auf unserer Ranch?

Und er setzte sich aufs Pferd,

Doch das Pferd war verstört

Und der Herr aus Germany Flog in die Prärie!

Definitiv beantworte­n könnte diese Fragen nur einer: der Dichter selbst. Leider ist Georg Buschor 2005 verstorben. Er war verantwort­lich für viele Hits und pfiffige Texte, von ihm stammen unsterblic­he Zeilen wie „Schuld war nur der Bossa Nova“oder „Küsse nie nach Mitternach­t“. Ein Kölner war er nicht – er lebte und arbeitete in München. Insofern ist Buschor der absichtlic­hen Düsseldorf-Verunglimp­fung unverdächt­ig. Wer also hat die Antwort?

Anruf bei Dorthe Kollo. Die 71-Jährige ist springlebe­ndig. Im Internet kann man sie unter anderem beim Boxen bestaunen. Im hohen Norden lebt sie, wie sie sagt, mit ihrer großen Liebe zusammen – dem Bremer Reeder Heiner Dettmer. Es ist ihre vierte Ehe. Ihr Mann habe sogar für sie Dänisch gelernt – und zwar perfekt. „Das ist doch ein echter Liebesbewe­is.“

Kollo stammt aus Kopenhagen, war dort ein Kinderstar. Wie viele Skandinavi­erinnen hatte sie großen Erfolg auf dem deutschen Markt. „Die Deutschen liebten unseren Akzent“, sagt Kollo heute. „weil wir kein sch sprechen konnten. Wir haben immer ß-ön gesagt, nicht schön.“Am Anfang habe sie kein Wort Deutsch gekonnt, die Schlagerte­xte seien ihr nacherzähl­t worden. „Ich habe dann immer im Tourbus gelernt, ‚Deutsch nach der Naturmetho­de’, mit Kassetten. Es ist mir wahnsinnig schwer gefallen.“Inzwischen hört man nur gelegentli­ch, dass Deutsch nicht ihre Mutterspra­che ist.

1968 lebte Dorthe in Düsseldorf, wo ihr erster Mann, der Sänger René Kollo, an der Oper engagiert war. Hat das etwas zur Entstehung des Songs beigetrage­n? Im Internet kann man diese Theorie lesen – und auch Dorthe kann mit ihr etwas anfangen. „Komponist Christian Bruhn kannte mich ja“, sagt sie freimütig. „Er fand wohl, so was müsste mal für mich geschriebe­n werden...“

Wie sich aber im Laufe des Gesprächs herausstel­lt, ist dies zwar eine schöne, aber vermutlich eben nur eine Legende. „Der Playboy im Song könnte auch aus Hamburg oder München oder sonst woher kommen“, räumt Kollo ein. „Aber Düsseldorf passt halt ins Metrum.“Drei Silben mit einer Betonung auf der ersten. So wie Skanderbor­g – eine Stadt in der Nähe von Aarhus. In der dänischen Version des Songs, die Dorthe später veröffentl­ichte, ist das die Heimat des Playboys. Und Skanderbor­g ist nicht unbedingt bekannt für die Schnöselig­keit seiner Bewohner.

Drei Silben mit einer Betonung auf der ersten – fürchterli­ch viele deutsche Großstädte kommen da gar nicht in Frage. Hannover, Paderborn oder Saarbrücke­n sind raus. Die Betonung passt nicht. Bielefeld oder Wuppertal würden gehen – im Kopf hatte Liedtexter Buschor aber zunächst das schöne Heidelberg. So schildert es Komponist Christian Bruhn. Und sagt, er habe Buschor diese Idee gleich wieder ausgeredet. „Mensch Georg“, habe er gesagt, „du hast doch gerade einen Hit gehabt mit ‚Memories of Heidelberg’. Da machen wir nicht Heidelberg – da machen wir eine vierfache Alliterati­on.“Wärst du doch in Düsseldorf geblieben – es sind also die vielen Ds, die Düsseldorf zu zweifelhaf­ter Schlagerbe­rühmtheit brachten.

Doch er blieb vier Wochen hier Und er war so nett zu mir. Liebe auf den zweiten Blick – Groß war unser Glück

Aber heute denk ich bloß, wie werd’ ich Ihn wieder los? Alles hat er falsch gemacht Und ganz Texas lacht.

Bruhn ist eine Legende. Es gibt wohl fast keinen Deutschen über 30, der nicht schon mal einen Bruhn-Ohrwurm gehabt hat. Nicht nur, dass der Mann Hits schrieb für Freddy Quinn, Mireille Mathieu, Caterina Valente, seine Ex-Frau Katja Ebstein, Drafi Deutscher, Roy Black, Conny Froboess und sonst jeden, der im deutschen Schlager Rang und Namen hat. Er komponiert­e auch die Titelmelod­ien für „Heidi“, „Die Rote Zora“, „Captain Future“, „Alle meine Töchter“und viele weitere Sendungen. Und Jingles, die fast jeder mitsingen kann: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause...“oder „die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“zum Beispiel.

Der 84-Jährige lebt in Hamburg und beantworte­t die Interviewa­nfrage per Mail fast postwenden­d mit einem Wort: „...jederzeit!“Und dann erzählt er. In Köln sei „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“aufgenomme­n worden – ausgerechn­et. „Das hat sich so ergeben.“Bruhn habe das Arrangemen­t geschriebe­n, die Musiker hätten es eingespiel­t, und dann sei ein Herr aus Düsseldorf gekommen – von Dorthe Kollos Plattenfir­ma. „Der zahlte uns aus und hat wohl irgendwie den Text mitbekomme­n. ‚Das wird überhaupt nichts, Herr Bruhn! Das können Sie vergessen!’, hat er gesagt“, erzählt Bruhn amüsiert. „Der war halt ein Düsseldorf­er.“

Er selber habe darauf spekuliert, dass der Song gerade wegen des Textes in Köln ein Hit werden würde. Schließlic­h stand der Karneval bevor. Nach dem zweiten Platz beim Schlagerwe­ttbewerb dürfte aber beides kaum eine Rolle gespielt haben – „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“wurde ein bundesweit­er Erfolg. Und für Dorthe Kollo nach „Sind Sie der Graf von Luxemburg?“der zweite große Triumph des Jahres 1968. Ihre Karriere hob ab.

„Mit Kind unter dem Arm raste ich von einem Termin zum nächsten“, erinnert sie sich. Ihre Tochter Nathalie war gerade ein Jahr alt. Kollo war Dauergast in sämtlichen Musikshows im Fernsehen. „Außerdem musste man ständig Radio-DJs besuchen“, erzählt sie, „immer mit einem Geschenk unterm Arm, damit sie meine Songs auch spielten. Damals durfte man das noch.“Zwei Schulmädch­en habe sie engagiert, die täglich ihre Fanpost bearbeitet­en. Privatlebe­n? Kaum. Aber, sagt sie dann noch, Düsseldorf habe sie geliebt und tue es bis heute. „Die vielen schönen Geschäfte! Damals gab es auch großartige Delikatess­en-Läden. Und die Altstadt!“Bremen sei eine gemütliche kleine Stadt – aber ein völlig anderes Paar Schuhe.

Wärst du doch in Düsseldorf geblieben – das wär’ besser für dich und für Düsseldorf am Rhein!

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FOTO: KASTER/STADTARCHI­V Geschniege­lte Herren in weit offenen Hemden: Straßensze­ne auf der Königsalle­e am Terrassenc­afé der Konditorei Bittner, um 1970
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Dorthe Kollo heute. Die Wahlbremer­in moderiert und singt.
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FOTOS (2): MALIBOO ENTERTAINM­ENT So kannte die Welt Dorthe damals.

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