Rheinische Post Ratingen

Zeit der Entscheidu­ng für Investoren

Sparbuch-Sparen mit schleichen­der Enteignung oder Aktien-Investment mit überschaub­arem Risiko?

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Die Aktienkurs­e fallen. Gründe dafür gibt es viele: Italien und seine Schulden, die Türkei und ihre Lira, der „Handelskri­eg“zwischen den USA und China, die steigenden Zinsen (in den USA) oder der bevorstehe­nde Brexit – die Stimmung an den Börsen war schon besser.

In den einschlägi­gen Wirtschaft­spublikati­onen melden sich die Untergangs­propheten immer lauter zu Wort. Der nächste Crash stehe kurz bevor. Erinnerung­en an die Finanzkris­e, die vor gut zehn Jahren in der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers ihren vorläufige­n Höhepunkt fand, werden wach. Die Verunsiche­rung wächst. So wie immer, wenn die Märkte binnen kurzer Zeit etwas deutlicher verloren.

Wir sind gewiss keine Gesundbete­r oder Traumtänze­r. Wir versuchen, die Lage an den Börsen möglichst präzise und erschöpfen­d zu analysiere­n. Was sind die Risikofakt­oren – und wie groß sind die von ihnen ausgehende­n Gefahren wirklich? Kurzum: Wir wollen konstrukti­v sein. Chancen und Risiken abwägen statt Untergangs­fantasien nachzujage­n, die zwar ein breites Publikum finden, aber niemandem wirklich weiterhelf­en. Investiere­n heißt niemals wetten – ganz gleich ob auf Untergang oder Rally. Uns geht es darum, ein Vermögen so robust aufzustell­en, dass es auch größere Krisen weitgehend schadlos übersteht, ohne dabei gänzlich auf Rendite verzichten zu müssen.

Kommt der Crash? Irgendwann bestimmt, ja. Wir sehen derzeit aber keinen unmittelba­ren Auslöser, oder besser: Wir sehen nichts, was einen generellen Trendwechs­el am Aktienmark­t begründen würde. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Aktienkurs­e noch weiter zurückfall­en. Dennoch sind und bleiben Aktien unseres Erachtens die Anlage, die in den kommenden Jahren die höchsten Erträge verspricht. Anleger müssen aber Geduld mitbringen, und ja, auch das gehört dazu, eine gewisse emotionale Distanz (manche sagen Leidensfäh­igkeit), was den Blick auf den eigenen Depotauszu­g betrifft. Denn die Kurse werden schwanken, so wie sie das immer tun. Mal mehr, mal weniger. Wer das aushalten kann, wird dafür belohnt werden – da bin ich sicher.

Im Grunde müssen Anleger sich zwischen zwei Wegen entscheide­n: Route eins führt sie direkt zum vermeintli­chen Ziel. Sie ist nicht besonders steinig, aber eben auch nicht schön, sondern führt geradewegs ins Tal. Diese Route ist für all jene, die von Aktien nichts wissen wollen und ihr Geld stattdesse­n auf das Sparbuch oder ein Tagesgeldk­onto packen. Sie wissen, dass 100 Euro in zehn Jahren noch 100 Euro sind, zumindest auf dem Papier, und wähnen sich in Sicherheit. Eine Scheinsich­erheit. Denn für ihre 100 Euro können sich in zehn Jahren deutlich weniger kaufen als heute. Sicher ist nicht ihr Erspartes, auch wenn die Zahlen auf dem Kontoauszu­g etwas anderes aussagen, sondern allein der Verlust an Kaufkraft!

Route zwei ist steinig und zuweilen anstrengen­d. Es geht mal bergauf, dann wieder bergab und erneut bergauf. Um Kurven und wieder geradeaus. Am Ende des Weges aber winkt eine Aussicht, die weit schöner sein kann (und in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer schöner war) als das, was Route eins zu bieten hat. Und all jenen, die angekommen sind, die Erkenntnis bringt, dass die Unwetter, die es auf dem Weg auszuhalte­n galt, in der Rückschau gar nicht so schlimm waren.

Kurzum, Anleger müssen sich entscheide­n: Zwischen einem Risiko, das zwar nicht als solches wahrgenomm­en wird, aber deshalb umso gefährlich­er ist – der schleichen­den Enteignung der Sparer. Und einem Risiko, das von Wissenscha­ftlern zwar stets so genannt wird, aber in Wahrheit nicht zwingend eines sein muss.

Ich würde mich immer für Route zwei entscheide­n.

DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

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FOTO: FLOSSBACH VON STORCH Kurt von Storch

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