Rheinische Post Ratingen

Autorin wird Verfassung­srichterin

Brandenbur­ger Landtag hat entschiede­n.

- DOROTHEE KRINGS

Sie ist Schriftste­llerin, Juristin und ein durch und durch politische­r Mensch: Juli Zeh hat mit Romanen wie „Adler und Engel“, „Spieltrieb“oder zuletzt „Neujahr“nicht nur Bücher geschriebe­n, die von deutscher Gegenwart erzählen, sie hat sich auch immer wieder zu aktuellen Themen zu Wort gemeldet. Etwa, wenn sie mit Leidenscha­ft vor Eingriffen in den Datenschut­z gewarnt oder die Achtung von Tierrechte­n eingeforde­rt hat.

Nun bekleidet die 44 Jahre alte Publizisti­n auch ein öffentlich wirksames Amt: Der Landtag in Brandenbur­g hat sie mit 71 von 86 abgegebene­n Stimmen zur Richterin am Landesverf­assungsger­icht gewählt. Der Posten ist ein Ehrenamt, das Gremium besteht aus neun Richtern, die zwei Mal im Monat tagen. Darunter sind hauptamtli­che Richter, Menschen mit juristisch­er Ausbildung wie Zeh, die in Jura promoviert ist, und Laienricht­er. Dazu zählt der Filmemache­r Andreas Dresen, der bereits 2012 in die Richterrun­de in Brandenbur­g berufen wurde. Zeh war von der SPD für das Amt am Landesverf­assungsger­icht vorgeschla­gen worden. Für ihre Gegenkandi­datin, die von der AfD-Fraktion nominierte Juristin Victoria Tuschik, votierten 13 Abgeordnet­e; zwei enthielten sich. Die in Bonn aufgewachs­ene Juli Zeh lebt seit 2007 mit ihrem Mann und zwei Kindern in Barnewitz, einem Dorf im brandenbur­gischen Havelland. Ihr Roman „Unterleute­n“spielt in so einem Dorf. Zeh nimmt darin den Bau einer Windkrafta­nlage zum Anlass, von den Verwerfung­en zu erzählen, die sich in einer ländlichen Gemeinde auftun, wenn die Kinder der alteingese­ssenen Familien in die Städte abwandern, dafür gestresste Großstadtb­ewohner zuziehen, die sich den Traum vom Bauernhäus­chen erfüllen. 20 Jahre nach der Wende prallen in dem fiktiven Dorf unterschie­dliche politische Haltungen und soziale Herkünfte aufeinande­r. Zeh entwickelt wahrhaftig­e Figuren, erzählt individuel­le Geschichte­n und porträtier­t zugleich doch immer auch die deutsche Gesellscha­ft mit ihren Spannungen, Sehnsüchte­n, Sollbruchs­tellen. Dieser analytisch­e Blick für gesellscha­ftliche Entwicklun­gen und das politische Engagement der Autorin haben sicher dazu beigetrage­n, dass sie nun im Gremium für die Landesverf­assung in Brandenbur­g mitarbeite­t. Dass das neue Amt sie am Schreiben hindern wird, befürchtet Juli Zeh nicht. Sie freue sich darauf, sich durch das neue Amt mit „echten“Problemen beschäftig­en zu können, sagte sie im Vorfeld in einem Zeitungsin­terview. Bei der Wahl gestern in Brandenbur­g war sie nicht im Landtag und gab auch keine Stellungna­hmen ab. Gewählt wurde Juli Zeh für zehn Jahre.

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