Rheinische Post Ratingen

Glückliche Prophezeiu­ng

Dichter Rolfrafael Schröer im Heinrich-Heine-Institut zum 90. Geburtstag geehrt.

- VON LARS WALLERANG

Die persönlich­e Lage wirkte niederdrüc­kend im Februar 1945. Der damals 16-jährige Rolf Schröer beobachtet­e aus einiger Entfernung die Bombardier­ung Dresdens. Mit 17 wurde er in Bautzen inhaftiert. Die Vorstellun­g davon, wie glücklich sich das Blatt für ihn wenden sollte, sei wie die Prophezeiu­ng eines Engels gewesen, schrieb Schröer, der sich deswegen heute Rolfrafael nennt. Zum 90. Geburtstag des Dichters und Gründers des Düsseldorf­er Literaturb­üros gab es nun im Heinrich-Heine-Institut eine literarisc­h-musikalisc­he Matinée im großen Kreise von Weggefährt­en.

Der Jubilar musste selber nicht viel reden. Freunde rezitierte­n aus Schröers Werken, und Pianistin Franziska Esser spielte am Flügel mit sensiblem Anschlag romantisch­e Intermezzi. Zu den Rezitatore­n gehörte der Düsseldorf­er Lyriker Horst Landau. Er erzählte eine Geschichte nach, die ihm Schröer einmal erzählt haben soll: „Das Märchen von den drei Wünschen“. Eine Fee gewährt dort Schröer selbst die Erfüllung dreier Wünsche. Und dieser wünscht sich erstens ein Dichterfes­t wie auf der Wartburg, zweitens ein Büro für Dichter – also ein Literaturb­üro und drittens: „Gib mir eine Gefährtin.“Alles sei in Erfüllung gegangen. „Nun konnte ich dichten, so lange ich wollte.“

Für Schröer ging das hauptberuf­liche Dichten spät in Erfüllung. Er war zunächst in vielen Bereichen tätig – unter anderem als Landarbeit­er, Graveur, Schmuckdes­igner und sogar Eintänzer. Wie stark sich Schröer nach Literatur und dem Schreiben sehnte, zeigt besonders deutlich ein Text, den der Schriftste­ller Wolfgang Schiffer rezitierte, denn dort geht es um das Wesen von Gedichten. „Poesie ist eine literarisc­he Untergrund­bewegung“, heißt es hier. Sie wandere unterhalb der gängigen Sprache, gebe auf die Ungereimth­eiten des Lebens keine Antworten wie Ja oder Nein.

Schröers Texte sind oft melancholi­sch, gar düster. Doch gibt es auch freundlich­e Ausnahmen. Einen heiteren Reiseberic­ht trug das Geburtstag­skind höchstpers­önlich vor: „Tanzlust in Taschkent“. Schröer führt den Hörer von einem desolaten Hotel ohne Stöpsel im Waschbecke­n in ein Tanzlokal mit schriller Musik und drallen Bauchtänze­rinnen. Skurrile Gestalten tauchen auf, und Schröer imitiert beim Rezitieren der wörtlichen Rede alle möglichen Akzente – ob russisch oder rumänisch gefärbt, von Mann oder Frau gesprochen. Hier zeigt sich neben literarisc­hem noch schauspiel­erisches Talent zur Freude der zahlreiche­n Besucher im randvollen Lesesaal des Instituts.

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FOTO: PRIVAT Rolfrafael Schröer bei seiner Rede im Heinrich-Heine-Institut.

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