Hoch lebe die Agenda 2010
Mit einem Füllhorn voll Sozialreformen will Andrea Nahles den Niedergang ihrer Partei stoppen. Damit wird sie Deutschland hinter die Agenda 2010 zurückwerfen
Mit einer Sozialreform will Andrea Nahles den Absturz der SPD stoppen. Doch die würde Deutschland hinter die Agenda 2010 zurückwerfen. Die wollte verhindern, dass Firmen Arbeitnehmer auf Kosten der Allgemeinheit immer früher in den Vorruhestand schickten. Deshalb kürzte die Regierung Schröder die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I von 32 auf zwölf und 18 Monate. Es half, die Beschäftigung Älterer stieg deutlich an. Nahles will nun das Rad zurückdrehen und sogar 33 Monate erlauben. Das setzt in Zeiten des Fachkräftemangels falsche Anreize und geht zu Lasten der Beitragszahler. Konzerne wie Bayer, die vor einem Kahlschlag stehen, können sich die Hände reiben. Was ist sozial gerecht, wenn Nahles die Krankenschwester für Bayers Fehler zahlen lässt?
Außerdem wollte die Agenda 2010 den Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhöhen. Viele hatten sich damals mit der Arbeitslosenhilfe eingerichtet, die bis zu 57 Prozent vom letzten Nettolohn bedeutete – lebenslang. Zwar will Nahles die Hartz-Sätze nicht kippen, aber die Wohnung schonen und Sanktionen abschwächen. Sie vergisst, dass Hartz IV keine Versicherungsleistung ist, auf die man Anspruch hat, sondern eine Fürsorgeleistung. Der Staat hilft Bürgern in
Not – aber nur, wenn sie sich nicht selbst helfen können. Fordern und Fördern. Nahles aber macht Schluss mit Eigenverantwortung und lässt andere dafür zahlen.
Nicht mal aus SPD-Sicht macht das Sinn. Die Analyse, die Agenda 2010 sei an der SPD-Misere schuld, ist falsch. Statt Antworten auf Probleme von heute zu geben, wiederholt Nahles Fehler von gestern. 15 Jahre hat die SPD (murrend) gestanden. Jetzt, wo Schröders Rechnung aufgeht und vielfach Vollbeschäftigung herrscht, macht Nahles eine Rolle rückwärts. So dürfte die SPD auch ihre Stammwähler verlieren - die Facharbeiter, die Nahles’ Füllhorn bezahlen sollen.