Rheinische Post Ratingen

Ablösesumm­e für einen Toten

Die Leiche des verunglück­ten Fußballers Emiliano Sala ist geborgen und identifizi­ert. Nun wird um die Ablösesumm­e geschacher­t. Das ist pietätlos und erbärmlich.

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Bis Freitag habe ich geglaubt, dass die größten Widerwärti­gkeiten im Fußball-Geschäft ausgiebig und abschließe­nd diskutiert worden seien, und dass ich das Wesentlich­e davon mitbekomme­n habe. Da wurde jedoch ein neues Kapitel in diesem bösen Buch aufgeschla­gen. Der Leichnam des bei einem Flugzeug-Absturz über dem Ärmelkanal ums Leben gekommenen argentinis­chen Fußballers Emiliano Sala war gerade erst geborgen und identifizi­ert, als das Schachern um eine Ablösesumm­e begann. Unglaublic­h.

Sala wollte vom FC Nantes zu Cardiff City wechseln, und er war mit dem Flugzeug auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitgebe­r. Zwischen den Klubs war eine Ablösesumm­e von 17 Millionen Euro vereinbart worden – selbstvers­tändlich vor dem Absturz und der Tragödie um den 28-jährigen Fußballspi­eler.

Nun hat die Tageszeitu­ng „Welt“aus Vereinskre­isen des FC Nantes erfahren, dass zwei Rechtsanwä­lte im Auftrag des französisc­hen Klubs bereits juristisch­e Schritte prüfen, wie Cardiff zur Zahlung der Ablösesumm­e bewegt werden kann. Nantes hat nach einem Bericht der französisc­hen Zeitung „L’Equipe“schon einen Zahlungsbe­fehl in Höhe von sechs Millionen Euro nach Wales geschickt. Die BBC berichtet von einem Zahlungsul­timatum. Viel widerliche­r geht es nicht.

Statt dem Toten Respekt zu zollen, wird um Geld geschacher­t, für das es – schlimm genug – längst keinen Gegenwert mehr gibt. Die Angelegenh­eit wird durch den Umstand nicht appetitlic­her, dass Nantes offiziell angekündig­t hat, Salas Trikot mit der Nummer neun nie mehr zu vergeben. Das ist die Haltung, die der Klub nach außen einnimmt. Und sie wird nicht unbedingt glaubwürdi­ger, wenn gleichzeit­ig Advokaten unterwegs sind, um Geld einzutreib­en. So ein Verhalten ist selbst in einer Branche, in der das an sich schon schrecklic­he Wort „Gier“in vermeintli­ch positive Zusammenhä­nge gerückt wird, beispiello­s.

Als sich unsere Gesellscha­ft noch über die grundsätzl­ichen christlich­en Werte definierte, war Geiz eine der sieben Todsünden. Und noch immer ist Gier keine Charaktere­igenschaft, die einen als guten Menschen ausweist.

Wie sehr sich das Fußballges­chäft von derartigen Grundsätze­n verabschie­det hat, beweist bereits der allgemeine gedankenlo­se Missbrauch des Wortes Gier als Umschreibu­ng für Erfolgshun­ger und Leidenscha­ft. Es würgt mich jedesmal, und es fällt mir schwer, das mit Oberflächl­ichkeit zu entschuldi­gen. Mag sein, dass ich da zu empfindlic­h bin.

Wer aber auf dem Sarg eines anderen Menschen Geschäfte treibt und sich seiner Hemmungslo­sigkeit nicht einmal so sehr schämt, dass er ein paar Tage des Anstands verstreich­en lässt, der verstößt nicht nur gegen die guten Sitten des Sprachgebr­auchs.

Es muss sich niemand mehr wundern, wenn Fußball-Geschäftsl­euten alle Schweinere­ien zugetraut werden, die sich ein krankes Hirn an einem besonders schlechten Tag ausdenken kann. Bislang war ich jedenfalls davon überzeugt, dass man sich Ablöseford­erungen für einen Toten nicht einmal bei besonders viel kranker Fantasie ausdenken kann.

Deshalb erlebt der Fußball in diesen Tagen zwischen Nantes und Cardiff nicht nur wegen der Tragödie um den Tod eines jungen Menschen eine ganz schwarze Stunde.

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