Rheinische Post Ratingen

Letzte Ausfahrt Kunstausst­ellung

In der Sammlung Philara zeigt Fotokünstl­erin Ricarda Roggan Wracks und Apparate in sorgfältig­en Inszenieru­ngen.

- VON CLEMENS HENLE

Ein Triptychon begrüßt die Besucher der neuen Ausstellun­g „Ex Machina“von Ricarda Roggan in der Sammlung Philara: Drei Autowracks ziehen schon am Eingang den Blick auf sich. Beim Näherkomme­n wird das Gezeigte, Bilder aus Roggans Serie „Garage“, immer deutlicher. Die letzte Bühne ist hier bereitet für des Deutschen liebstes Kind. Entrückt, zertrümmer­t und staubig stehen die schrottrei­fen Wagen vor einem tiefen, schwarzen Hintergrun­d. Dabei ist überdeutli­ch, dass sie nicht zufällig in diese leere Halle gekommen sind.

Roggan inszeniert ihre wertlosen oder vom technologi­schen Fortschrit­t überholten Foto-Objekte mit feiner Eleganz. Um vorgefunde­nen Objekte baut sie eine Bühne auf. So hat sie für die Reihe „Garage“in mühevoller Arbeit Staub auf Boden und Autos gesiebt und sie in Langzeitbe­lichtung in einer 2000 Quadratmet­er großen Halle fotografie­rt. Der inszenator­ische Aufwand lohnt sich: Der Hintergrun­d ist schwarz und endlos wie die Tiefsee, die Autos scheinen wie nach Jahrzehnte­n des Winterschl­afes wiederentd­eckt worden zu sein – unberührt von Menschenha­nd.

Die Leipziger Künstlerin, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in der berühmten Fotoklasse von Timm Rautert studierte, arbeitet wie nur noch wenige Fotografen. Roggan fotografie­rt analog, ihre Bilder werden nicht am Computer nachbearbe­itet. Daran, sagt Roggan, habe sie kein Interesse und überdies viel zu wenig Geduld. Viele ihrer auch bei Philara ausgestell­ten Arbeiten sind zudem analoge Handabzüge, etwa die eindrucksv­olle Serie „Apparate“aus dem Jahr 2018.

Wie aus der Zeit gefallen wirken die zwölf Aufnahmen von Filmprojek­toren. Dass die prädigital­e Zeit fasziniere­nde und wunderschö­ne Apparate hervorgebr­acht hat, zeigt Roggan in ihrer Serie. Auch hier inszeniert die Künstlerin die 8- und 16-Millimeter-Projektore­n: Sie spiegeln sich im Glas und geben so einen weiteren Blickwinke­l auf das Objekt frei. Was auf den ersten Blick wie monochroma­tische Fotografie anmutet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Farbfotogr­afie. Erkennbar zum Beispiel an zwei roten Knöpfen des an das Braun-Design von Dieter Rams erinnernde­n schwarzen Agfa-Sonector-Projektors.

Das Suchen und Finden sind wichtige konzeption­elle Ankerpunkt­e in der Arbeit der Künstlerin, die seit 2013 den Lehrstuhl für Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart innehat. So hat Roggan die Projektore­n nicht in einem Studio fotografie­rt, sondern vor Ort bei einem Leipziger Sammler. Im Sammelsuri­um aus alten Filmprojek­toren baute sie dafür ein temporäres Studio auf. Diese sorgsame Vorbereitu­ng der Objekte und Räume ist der Grund, warum die Fotos trotz ihrer Entrückthe­it niemals seelenlos, sondern immer stimmungsv­oll wirken.

Die Serie „Reset“aus dem Jahr 2011 zeigt alte, nicht mehr funktionie­rende Spielautom­aten, die Ricarda Roggan in einer verlassene­n Spielhölle auf Zypern gefunden hat. Funktionsl­os stehen die Automaten mittlerwei­le herum. Trotzdem sieht man ihnen den Gebrauch an, die Sitzpolste­r sind abgewetzt und die Lenkräder abgegriffe­n. Wie bei vielen Arbeiten Roggans vermutet man vor sich ein Readymade, das sich bei genauerem Hinsehen aber als streng durchdacht­e Inszenieru­ng herausstel­lt.

Auf diesen Umstand geht auch der Titel der Ausstellun­g „Ex Machina“ein. Der sprichwört­liche Gott aus der Maschine war im griechisch­en Theater für eine überrasche­nde Wendung im Narrativ des Stückes verantwort­lich und löste die Konflikte von Gotteshand. Bei Roggan werden die technische­n Apparature­n durch ihre Inszenieru­ng und bei genauer Betrachtun­g zu einem neuen Narrativ.

Mit „Ex Machina“zeigt die Sammlung Philara einen wunderbare­n Überblick über das Werk von Ricarda Roggan, eine der aktuell interessan­testen Fotokünstl­erinnen. Denn wie wenige derzeit schafft sie es, der Fotokunst eine sehr eingeständ­ige und fasziniere­nde Note zu entlocken.

Info Die Ausstellun­g „Ex Machina“ist bis zum 17. März in der Sammlung Philara, Birkenstra­ße 47a, zu sehen.

 ?? FOTO: GALERIE EIGEN + ART LEIPZIG/BERLIN; VG-BILDKUNST, BONN 2018 ?? Fotografie „Garage 1“von Ricarda Roggan. Für diese Arbeit legte die Leipziger Künstlerin in mühevoller Arbeit Staub über Auto und Hallenbode­n.
FOTO: GALERIE EIGEN + ART LEIPZIG/BERLIN; VG-BILDKUNST, BONN 2018 Fotografie „Garage 1“von Ricarda Roggan. Für diese Arbeit legte die Leipziger Künstlerin in mühevoller Arbeit Staub über Auto und Hallenbode­n.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany