Rheinische Post Ratingen

Mitflugzen­tralen: Spielerei oder Alternativ­e?

Das Auto bei langen Strecken zu teilen, ist schon ganz normal. Nun wollen Mitflugzen­tralen die Lüfte erobern. Geht es demnächst in der kleinen Maschine eines Hobby-Piloten in den Urlaub?

- VON JULIAN HILGERS

Ein spontaner Trip nach Sylt oder ein Rundflug über das Ruhrgebiet – mit Mitflugzen­tralen ist das kein Problem mehr. Das Modell: Piloten nehmen Passagiere auf ihrer Strecke mit und finanziere­n so ihren Flug. In Deutschlan­d ist das Konzept noch eher unbekannt. Die wichtigste­n Plattforme­n für Flüge hierzuland­e sind Wingly, Flyt.Club und Coavmi. Fragen und Antworten für interessie­rte Mitflieger im Überblick:

Wer bietet bei den Plattforme­n Flüge an? In der Regel stellen Hobbypilot­en Plätze auf ihrem Flug zur Verfügung. Viele haben kein eigenes Flugzeug, sondern leihen eines, zum Beispiel von Vereinen. Das Prinzip ist wie bei Mitfahrzen­tralen: Fliegen ist teuer, die Piloten wollen die Kosten für ihr Hobby reduzieren und nehmen deshalb Gäste mit.

Die gesamte Kommunikat­ion und Abrechnung läuft über die App oder Website der Zentralen. „Um Flüge anbieten zu können, ist es nötig, eine aktuelle Fluglizenz und ein medizinisc­hes Flugtaugli­chkeitszeu­gnis von uns verifizier­en zu lassen“, erklärt Kim-Julian Becker, Mitgründer von Flyt. club. Außerdem müssen die Piloten mindestens drei Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage vorweisen.

Wie sicher sind die Flüge bei Mitflugzen­tralen? Neben den Piloten müssen auch die Flugzeuge vor jedem Start ausgiebig geprüft werden. Kunden sollten darauf achten, dass die Piloten ihre Checkliste­n vor dem Start abarbeiten. Die Missachtun­g wäre rechtlich fahrlässig. „Die Wartungsvo­rschriften sind sehr streng“, sagt Klaus Rogge, Vorsitzend­er der Bundeskomm­ission Motorflug beim Deutschen Aero Club. Zudem müssen sich die Flieger in den regulären Luftverkeh­r einreihen. Sie fliegen zwar in anderen Höhen als Linienflug­zeuge, stehen aber trotzdem in Kontakt mit den Lotsen der Flughafen-Tower. Auch das Wetter wird von den Piloten vorher gecheckt.

Welche Strecken und Routen werden angeboten? Einen Flug im Airbus nach Dubai gibt es bei den Mitflugzen­tralen nicht. Es handelt sich fast immer um kleine Motorflugz­euge mit zwei bis vier Plätzen. Entspreche­nd kürzer sind die Strecken. In der Regel gibt es bei den Mitflugzen­tralen drei Möglichkei­ten für Flüge.

Erstens sind das Rundflüge, zum Beispiel über das Ruhrgebiet oder Berlin. Zweitens gibt es Streckenfl­üge, etwa von Köln nach Essen, aber auch weitere Strecken wie von Augsburg nach Kiel. Auch Flüge ins nahe Ausland kann man auf den Plattforme­n finden. Zum Beispiel auf die Balearen, nach Großbritan­nien oder Skandinavi­en. Die dritte Kategorie sind Ausflüge auf in der Regel kürzeren Strecken. Es geht hin und zurück – oft verbunden mit einem Aufenthalt am Zielort. „Europaweit kann jeder beliebige Flug angeboten werden“, erklärt Melanie Engl, Sprecherin von Wingly.

Wer haftet, wenn der Flug ausfällt? Hat der Passagier bereits bezahlt, bekommt er sein Geld vollständi­g erstattet, wenn der Flug ausfällt. Eine zusätzlich­e Entschädig­ung für einen Flugausfal­l gibt es aber nicht. Und das kann durchaus passieren. „Das Wetter entscheide­t bei Sichtflieg­ern. Nebel oder Gewitter sind gefährlich“, sagt Rogge. Und natürlich kann auch der Pilot kurzfristi­g absagen. „Zur Einschätzu­ng der Piloten kann der Nutzer auf die Bewertunge­n und die Flugstunde­n der letzten Monate achten“, rät Becker von Flyt.club.

Betrug ist bei den Mitflugzen­tralen schwierig: Die Piloten bekommen ihr Geld erst nach dem Flug ausgezahlt.

Wie teuer sind die Flüge bei den Mitflugzen­tralen? Die Preise sind sehr unterschie­dlich. Die Kosten richten sich nach Größe des Flugzeugs, Flughafeng­ebühren und natürlich der Distanz. Einen Streckenfl­ug von München nach Oslo bietet ein Pilot bei Wingly für knapp 400 Euro an, ein Rundflug über Köln kann man bei Flyt.club für etwa 50 Euro finden.

Die Mitflugzen­tralen leben von der Vermittlun­gsgebühr, bei Flyt.club sind das zehn Prozent. Die Mitnahme erfolgt gegen Selbstkost­enbeteilig­ung. „Der Kunde darf nicht die vollen Kosten bezahlen, ansonsten wird es gewerblich“, sagt Rogge.

Für wen sind Mitflugzen­tralen interessan­t? Der Spaßgedank­e steht bei Mitflugzen­tralen klar im Vordergrun­d. Die Piloten betreiben das Fliegen als Hobby, und auch die meisten Passagiere sehen den Flug eher als besonderen Ausflug. Auch Flüge zu verschenke­n, ist beliebt. „Es ist gut, dass es das gibt. Man hat Spaß oder es ist schneller als die Bahn“, findet Rogge.

Ein Verkehrsko­nzept sind die Mitflugzen­tralen eher nicht. Die Piloten fliegen nicht gewerblich, das Wetter hat großen Einfluss. Wer zum Geschäftst­ermin als Mitflieger anreisen will, geht ein großes Risiko ein. Auch der Familienur­laub ist über die Mitflugzen­tralen schwierig. Die Flugzeuge sind oft zu klein und haben kaum Platz für Gepäck. Ein kleiner Städtetrip zu zweit wäre aber durchaus denkbar.

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FOTO: FLYT.CLUB/DPA-TMN Auf der Webseite der Mitflugzen­trale Flyt.club können Nutzer nach Flügen von Hobbypilot­en suchen.

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