Rheinische Post Ratingen

Kaum Männer in Kitas

Seit Jahren wird um Männer geworben – doch die Klischees sind hartnäckig.

- VON YURIKO WAHL-IMMEL

Wenn Fabian Salin bei der Arbeit ist, kann er auch mal zum Löwen, Einhorn oder Zoodirekto­r werden. Jungs und Mädchen im Dortmunder Kindergart­en Rumpelwich­te bauen begeistert Tiergehege aus Schaumstof­fkissen. Dann singen alle zusammen. Erzieher Salin begleitet an der Gitarre, die Drei- und Vierjährig­en sind mit Rasseln und Trommeln ausgerüste­t. Es wird gekichert und getanzt. Alltag für Fabian Salin. Aber nicht alltäglich. Auch im Jahr 2019 noch nicht. Denn Männer in Kitas bleiben selten – trotz aller Programme von Bund und Ländern.

Knapp 36.000 männliche Erzieher gab es 2018 bundesweit in den Kitas, ein Anteil von gut sechs Prozent. Als Tagesväter sind aktuell 1600 Männer tätig, das entspricht laut Statistisc­hem Bundesamt einer Quote von 3,8 Prozent in der gesamten Tagespfleg­e. In Nordrhein-Westfalen arbeiteten zum Stichtag 1. März 2018 in den Kitas 3276 Männer als Erzieher – ein Anteil von vier Prozent. Und mit 567 Tagesväter­n lag die Männer-Quote laut NRW-Familienmi­nisterium in der Tagespfleg­e bei 3,9 Prozent.

Seit Jahren schon lautet die Mission: Mehr Männer in die Kitas. Nicht nur, weil man sie wegen des Fachkräfte­mangels brauche, erklärt ein Sprecher des Bundesfami­lienminist­eriums. „Kinder in Kindertage­seinrichtu­ngen, in denen nur Frauen beschäftig­t sind, nehmen wahr und lernen, dass Erziehung, Betreuung und Bildung – also alles, was „sich kümmern“bedeutet – Frauenarbe­it ist.“Geschlecht­erklischee­s sollten nicht weitergetr­agen werden. Die Botschaft lautet: Erziehung ist auch Männersach­e.

Doch die Vorstellun­g, dass Kinderbetr­euung in Frauen-Hand gehöre, hält sich hartnäckig. Fabian Salin kennt das: „Wenn ich erzähle, dass ich Erzieher bin, höre ich oft: Was hat dich denn geritten?“Dabei sei der Beruf bereichern­d. „Die Kinder kommen mit Bildungsin­teresse, mit Stärken und Schwächen, die es zu entdecken und fördern gilt“, erzählt der 26-Jährige. „Sie lernen gerne. Es ist eine Freude zu sehen, wie sie sich entwickeln.“

Und warum sollte es mehr männliche Kollegen geben? „Als Vorbilder, fürs Rollenvers­tändnis, zur Identifika­tion“, sagt der Erzieher. Besonders wichtig, weil auch schon die Kleinsten oft ganztägig außerhalb betreut werden. Und: Noch immer sind es meistens die Väter, die in Vollzeit arbeiten und kaum zu Hause sind. Umso mehr brauche es in Kita und Tagespfleg­e männliche Ansprechpa­rtner und Bezugspers­onen.

Was machen Männer anders? „Es liegt manchmal allein an der Körperkraf­t, dass wir bestimmte Dinge übernehmen wie Zelte aufbauen oder Kinder hochheben“, schildert Salin. Aber: „Ich möchte mich distanzier­en von Stereotype­n wie: Fußball und Werkbank macht der Erzieher. Singen, Wickeln und Vorlesen ist Sache der Erzieherin.“

Die Männer beißen nicht so recht an, trotz aller Werbung für den Job. Ein Grund auch: „Die Bezahlung ist vergleichs­weise unattrakti­v“, wie Bildungsex­pertin Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsman­n Stiftung erläutert. Zudem gebe es kaum Aufstiegso­ptionen. Und mitunter bestehen Vorbehalte gegen männliche Erzieher, auch nach Berichten über Missbrauch­sfälle. Salin erzählt, dass manche männliche Kollegen Angst hätten, dass ihnen Situatione­n falsch ausgelegt werden könnten – etwa im Umgang mit einem Kind, dass sich beim Spielen die Windel runterzieh­e und mit blankem Popo dastehe.

Der Erzieher bedauert, dass eine große Trendwende noch nicht in Sicht ist. „Man hat versucht, den Beruf aufzuwerte­n, zu akademisie­ren, aber das ist gescheiter­t – sehr schade, weil die Kita Bildungsor­t ist.“Er studiert zusätzlich Elementarp­ädagogik, wird bald Kindheitsp­ädagoge sein. „Erzieher werden nicht angemessen bezahlt. Und Stellen für studierte Pädagogen würden für die Kitas aus finanziell­en Gründen gar nicht erst ausgeschri­eben, sagt der 26-Jährige. „Auch meine persönlich­e Berufspers­pektive ist da sehr traurig. Ich träume von eigenen Kindern und einem Haus, aber das geht nicht mit einem Erzieher-Gehalt.“

Etwa sechs Prozent der Erzieher waren 2018 bundesweit männlich

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FOTOS (2): BERND THISSEN/DPA Fabian Salin, Erzieher im Dortmunder Kindergart­en Rumpelwich­te, spielt mit Kindern zur musikalisc­hen Früherzieh­ung auf der Gitarre.
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Erzieher sind nicht nur drinnen im Einsatz.

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