Rheinische Post Ratingen

Quereinsti­eg: Aus der Filmbranch­e in die Pflege

- VON BRIGITTE BONDER

Nach den ersten Berufsjahr­en machen sich immer mehr Menschen Gedanken über einen Wechsel ihres Tätigkeits­feldes. Die Beweggründ­e dafür sind unterschie­dlich. Oftmals spielt jedoch die Suche nach dem Sinn eine wichtige Rolle. So wie bei Anne Müller, die aus persönlich­en Gründen nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden möchte.

Die gelernte Filmtheate­rkauffrau war viele Jahre in der Kino- und Filmproduk­tion tätig. „Ich überlegte schon lange, wie ich mich beruflich weiterentw­ickeln konnte“, blickt die heute 50-Jährige zurück. „Innerhalb der Branche sah ich keine zufriedens­tellende Perspektiv­e, ich konnte es mir auch nicht vorstellen, meine Zeit bis zur Rente vor dem Bildschirm zu verbringen.“Das Thema Pflege war hingegen oft präsent. „Der aktuelle Pflegenots­tand erleichter­t es, auch in meinem Alter einen Ausbildung­splatz zu finden“, betont Müller, die bereits während des Studiums in der ambulanten Pflege gearbeitet hat und selbst pflegende Angehörige ist. Heute absolviert sie eine Ausbildung zur Altenpfleg­erin an der Kaiserswer­ther Diakonie in Düsseldorf. „Ich mag alte Menschen sehr und freue mich, ihnen helfen zu können“, begründet sie ihre Entscheidu­ng. „Der Beruf ist allerdings menschlich und körperlich sehr fordernd“, betont Müller. „Daher empfehle ich jedem, vorher ehrenamtli­ch oder im Rahmen eines Praktikums in den Beruf hineinzusc­hnuppern.“

Ein großes Problem in der Pflege wie auch in Kindertage­seinrichtu­ngen ist der Fachkräfte­mangel. Das Deutsche Jugendinst­itut DJI rechnet damit, dass bis 2025 mindestens 310.000 zusätzlich­e pädagogisc­he Fachkräfte in Kitas gebraucht werden. Auch in Seniorenhe­imen sind unterbeset­zte Stationen eher die Regel. Quereinste­iger können zu einer Lösung beitragen, die Erfahrunge­n mit Berufs-Umsteigern sind oft gut, wie eine neue Studie des DJI zeigt. „Insbesonde­re ältere Quereinste­igende entscheide­n sich ganz bewusst für diesen Beruf“, erklärt Torsten Edelkraut, Leiter des Bildungsze­ntrums für Gesundheit­sfachberuf­e an der Kaiserswer­ther Diakonie.

Aus seiner Sicht gibt es zwei wesentlich­e Motive für den Umstieg. „Einige wollten schon immer im sozialen Bereich tätig sein und starten nach einer Familienph­ase noch einmal durch“, gibt Edelkraut ein Beispiel. „Oftmals sind sie bereits ehrenamtli­ch oder als ungelernte Hilfskraft in Einrichtun­gen tätig und möchten eine Ausbildung absolviere­n.“Darüber hinaus gibt es Menschen, die viele Jahre in einer ganz anderen Branche tätig waren und eine Beschäftig­ung suchen, die sie ausfüllt. „Wir raten allen Interessen­ten dazu, frühzeitig ein Praktikum in einer Pflegeeinr­ichtung zu absolviere­n, um den Arbeitsall­tag vor Ausbildung­sbeginn kennenzule­rnen“, betont Torsten Edelkraut. „Dabei geht es zum einen darum, ob man die teils sehr intimen Tätigkeite­n durchführe­n kann.“Gerade ältere Quereinste­iger, die bereits eine erfolgreic­he Karriere hinter sich haben, müssen sich zudem jüngeren Vorgesetzt­en unterordne­n.

Für einen erfolgreic­hen Umstieg ist es wichtig, dass die Quereinste­iger bereits praktische Berührungs­punkte mit dem neuen Berufsfeld haben. So gelingt laut der DJI-Studie die Integratio­n im neuen Job besser. Hilfreich ist auch der Austausch mit Berufsange­hörigen und dem eigenen Umfeld. Auf dieser Basis kann eine Entscheidu­ng getroffen werden, ob der neue Beruf zu den eigenen Lebensziel­en passt. Fachliche Informatio­nen zur Ausbildung und erste Einblicke ermögliche­n Infoabende beispielsw­eise an der Kaiserswer­ther Diakonie. „Wir stellen regelmäßig unsere Ausbildung­sgänge vor“, erklärt Torsten Edelkraut. „Am Tag der offenen Tür am 16. Februar können sich Interessen­ten mit Schülern und Ausbildern austausche­n und im Rahmen von Übungen in den Job hineinschn­uppern.“Der Infotag findet von 11 bis 14 Uhr in der Diakonie statt.

Laut DJI-Studie müssen sich auch die Kindertage­seinrichtu­ngen und Pflegeheim­e organisato­risch weiterentw­ickeln. Im Vordergrun­d stehen Personal- und Teamentwic­klung, auch die Praxisanle­itung ist zu stärken. Damit das Potential der Quereinste­iger genutzt werden kann, ist die intensive Zusammenar­beit mit den auszubilde­nden Schulen wichtig. Auch den Arbeitsage­nturen fällt an dieser Stelle eine wichtige Rolle zu.

Es sei laut DJI-Studie jedoch problemati­sch, wenn die Agenturen die persönlich­e Eignung der vermittelt­en Personen zu wenig berücksich­tigen und die Quereinste­igenden ungenügend über die Anforderun­gen im Tätigkeits­feld informiert sind. Das führe zu erhöhten Abbruchquo­ten in der Ausbildung, schließlic­h bringe längst nicht jeder die Voraussetz­ungen für die fachlich, physisch und psychisch anspruchsv­olle Arbeit in der frühkindli­chen Bildung und der Altenpfleg­e mit. Eine „Rekrutieru­ngsoffensi­ve“über die Arbeitsage­nturen wird aus diesen Gründen skeptisch beurteilt.

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