Rheinische Post Ratingen

Messiaen: Quartett für das Ende der Zeit

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Klassik Komponiste­n können sich die Orte, an denen sie Meisterwer­ke schreiben, manchmal nicht aussuchen. Und ob es am Ende wirklich ein Meisterwer­k ist, das entscheide­n ja andere. Aber in diesem Fall musste das Werk an genau diesem Ort geschriebe­n werden, in genau dieser Lage, es war nicht der Moment, an schöne Dinge zu denken, sondern an das Leben danach.

Was die Sicht auf das Metaphysis­che betrifft, war dieser Mann eminent begabt. Der Franzose Olivier Messiaen sah Farben, wenn er Harmonien hörte, er lauschte Vögeln und indischen Rhythmen, er phantasier­te in Tönen über die sichtbaren und die unsichtbar­en Dinge. Doch jetzt saß er seit Juni 1940 im Kriegsgefa­ngenenlage­r Stalag VIII bei Görlitz und träumte von einem Kammermusi­kwerk, das zum einen der elenden Situation eine visionäre Perspektiv­e abgewann und zum anderen die musikalisc­hen Kompetenze­n der Gefangenen berücksich­tigte.

Mit Hilfe des deutschen Offiziers Carl-Albert Brüll gelangte er an Notenpapie­r und Bleistifte und konnte sogar in einem abgetrennt­en Wenig später wurde Messiaen freigelass­en.

Jetzt hat sich für die Sony ein fabelhafte­s kleines Ensemble zu diesem Gipfel der modernen Quartettku­nst zusammenge­funden: Martin Fröst (Klarinette), Lucas Debargue (Klavier), Janine Jansen (Violine) und Thorleif Thedeen (Violoncell­o). Sie wissen, worum es geht, und dringen ein in die gleichsam liturgisch­e Wucht dieser Musik. Das Ergebnis ist gigantisch.

Wolfram Goertz

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