Königsblaue Wunderkinder
Leroy Sané kehrt mit Manchester nach Schalke zurück. Sein Bruder weckt Hoffnungen.
GELSENKIRCHEN Leroy Sané weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Lage aussichtslos ist. Sein Stern ging immerhin im Estadio Santiago Bernabeu auf. Weniger gastfreundlich sind wenige Orte auf dieser Fußballwelt. Die Dienstreise des FC Schalke 04 in die Heimspielstätte von Real Madrid im März 2015 stand für Königsblau daher unter ähnlich schlechten Vorzeichen wie die beiden Spiele gegen Manchester City, die die Lostrommel in der aktuellen Achtelfinal-Runde der Champions League für die Schalker bereithielt.
Das Hinspiel hatten die Gelsenkirchener auch gleich folgsam mit 0:2 verloren, im Rückspiel ging es vermeintlich vor allem um Gesichtswahrung. Stattdessen hatte Roberto Di Matteo jedoch eine seiner besseren Ideen als Schalke-Trainer, wechselte nach 29 Minuten einen 19-Jährigen ein, der bislang höchstens als Sohn des früheren Bundesliga-Torjägers Souleymane Sané bekannt war. Leroy spielte prompt groß auf, traf traumhaft und verhalf Schalke mit zu einem 4:3-Prestigeerfolg. Der half reichte zwar nicht fürs Viertelfinale, liest sich heute aber wie der Beginn eines Fußballmärchens.
Knappe vier Jahre später kommt Leroy wie ein anderer Mensch zurück zu dem Verein, der ihm das Fußballspielen beigebracht hat. 50 Millionen Euro hat sich Manchester City seine Dienste einst kosten lassen. Nach heutigen Marktpreisen ein Schnäppchen. Seine kindlichen Züge sind dem eines jungen Mannes gewichen, das Schalker Eigengewächs wirkt in jeder Hinsicht gereift und doch noch nicht auf dem Zenit seines Schaffens. Heute muss Schalke vor Sanés Klasse zittern.
Daher wird natürlich jeder im Verein hellhörig, wenn die Chance in Aussicht steht, diese Geschichte auch nur im Ansatz zu wiederholen. Dass es in der Knappenschmiede inzwischen noch einen gibt, der nicht nur ganz ähnlich aussieht, sondern auch fast genauso tempo- und trickreich die Außenbahnen beackert wie Leroy, ist nicht verborgen geblieben. So ist über den jüngsten Sané-Bruder Sidi zu lesen, dass er gar noch talentierter sei als sein Bruder, der Star. Aber Vorsicht. Sidi ist 15, seine Verletzungshistorie reicht aber schon für eine halbe Profikarriere: Wachstumsprobleme, Armbruch, Kreuzbandriss. „Er hatte wirklich viel Pech“, sagte Trainer Willi Landgraf dem „Westfalenblatt“. Aber eben auch: „Manchmal sieht es so aus, als würde er Gegenspieler wie Slalomstangen stehen lassen.“
Auch Leroy hatte einige Kämpfe mit dem eigenen Temperament auszufechten, bevor er auf die Schnellstraße zum Weltruhm einbog, fuhr er mit 18 Jahren seinen ersten Sportwagen zu Schrott – um wenig später auch das Gefährt seines Vaters zu zerlegen. Sein Jugend-Trainer Norbert Elgert wechselte ihn einst schon nach zehn Minuten aus, weil ihm seine Einstellung missfiel. Sein älterer Bruder Kim beendete nach Engagements bei den Zweiten Mannschaften von Schalke und Nürnberg sowie der SG Wattenscheid 09 in der Regionalliga seine Laufbahn frühzeitig. Nur die wenigsten Karrierewege verlaufen eben so steil wie der von Leroy. Dessen Marktwert wird auf 100 Millionen Euro taxiert. Nur ein Spieler, der beim Schalker 4:3Sieg in Madrid auf dem Platz stand, kann da heute noch mithalten: ein gewisser Cristiano Ronaldo.