Die Region Gitschberg Jochtal am Eingang des Südtiroler Pustertals zeigt, dass auch kleine Skigebiete viel zu bieten haben.
VALS/MERANSEN (dpa) Auf den Pisten gibt es verblüffende Begegnungen. Da düst tatsächlich ein junger Mann mit Frack und Zylinder die Abfahrt vom Gitsch herunter. Ein netter Herr, der Skifahrerinnen gern mal eine Rose überreicht und den Gästen mit Rat und Tat zur Seite springt. Er hilft mit Taschentüchern aus, ersetzt den verlorenen Pistenplan und gibt als Einheimischer, der jeden Gipfel und jede Abfahrt kennt, Tipps für den schönsten Ausblick, die gemütlichste Einkehr und die leckerste Jause. Der „Cavaliere“ist der Liebling großer und kleiner Skifahrer – eine Errungenschaft, die es in anderen Skigebieten so nicht gibt.
Die Südtiroler Region Gitschberg Jochtal hoch über Brixen hat aus der Not, gegen den Kronplatz und die Sella-Ronda-Zentren bestehen zu müssen, eine Tugend gemacht. „Die Menschen hier haben Vertrauen in die Zukunft ihrer Skiregion, in die sie eine Menge investieren“, sagt der Chef des Tourismusamts, Stefan Gruber. Das war nicht immer so. Die Gemeinden Vals und Meransen, getrennt durch einen hohen Berg und ein tiefes Tal, waren Nachbarn, die sich in ihren viel zu kleinen Skigebieten eingeschlossen und eifersüchtig darüber gewacht hatten, dass der andere bloß nicht zu groß wird. In letzter Minute rissen weitsichtige Hoteliers und Liftbetreiber das Steuer herum und fusionierten ihre Gebiete. „Aus einer kranken und einer todgeweihten Gesellschaft wurde eine gesunde“, sagt Karl Leitner, Präsident des jetzt gemeinsamen Seilbahnbetriebs. Seit 2012 verbindet eine 22 Millionen Euro teure Bergbahn die beiden Gebiete.
Seither brummen rings um Vals und Meransen nicht nur die Lifte. Vor zehn Jahren gab es vier Vier-Sterne-Hotels in der Region, heute sind es 16. Im Südtiroler Preis-Ranking rangieren die meisten davon im unteren Mittelfeld. Weil 15 der größten Betriebe von Chefs unter 40 Jahren geleitet werden, ist auch die Innovationsfreude groß. Die Umsätze von Gastronomie und Bergbahnen haben kräftig zugelegt.
Neu eröffnet hat in der Saison 2018/19 der Ski-Express, eine Zehner-Umlaufbahn bis zum Fuß des rund 2500 Meter hohen Gitsch. Mit ihr bringt es die Skischaukel auf 16 Aufstiegsanlagen und 55 Kilometer Abfahrten – zehn blaue, neun rote und vier schwarze Pisten. 95 Prozent davon können künstlich beschneit und dank 130 Schneeerzeugern binnen einer Woche fit fürs Skifahren und schneesicher bis Ostern gemacht werden. Das ist zwar nicht genug für Pistenfresser, aber lohnend für Wintersportler, die es übersichtlich und zugleich abwechslungsreich mögen.
Gruber definiert die Zielgruppe so: „Familien mit Kindern, Gruppen von Jugendlichen und Vereinen, auch Genuss-Skifahrer, die sich für drei oder vier Stunden die Brettl anschnallen und sich dann auf die Annehmlichkeiten des Skigebiets und ihres Hotels freuen.“Zum Beispiel auf Wellness und gute Küche. Oder auf ein Weinseminar im „Valserhof“, wo der Gast unter Anleitung von Sommelier Daniel die Qual der Wahl zwischen 24.000 Flaschen feiner Weine hat.
Das Pistenangebot passt zum Konzept der Touristiker: Die Abfahrten auf beiden Seiten des Altfasstals sind breit, die nicht zu steilen Hänge ideal zum Carven – sie überfordern auch Anfänger nicht. Drei Kinderparks mit Ganztagesbetreuung hat die Region, darunter das „Kinderland“im Valser Talboden, das als einer der besten Skikindergärten Italiens ausgezeichnet worden ist. Die Kleinsten mögen nun mal superflaches, vor Wind und Wetter geschütztes Gelände. Und wenn sie unkompliziert auf Förderbändern und einer Kabinenbahn nach oben transportiert werden, statt ständig aus dem Schlepplift zu fliegen, machen ihnen die ersten Schritte im Schnee noch mehr Spaß.
Vals und Meransen sind entspannte Orte. Dort laden 22 Hütten und Almen zum Einkehrschwung. Das Angebot reicht von der quirligen „Bar zur Mühle“an der Valser Talstation bis zur urigen Anratter Hütte, in der die Wirtsleute mit 15 verschiedenen Knödeln aufwarten. Speck, Kasnocken und Schlutzkrapfen gibt es auch auf der Terrasse der Gitschhütte – samt Fernsicht auf Marmolata, Sella und Langkofel.
Die Landschaft können Winterurlauber auch ohne Bretter unter den Füßen kennenlernen. Zum Beispiel bei einer Schneeschuhwanderung durchs sanfte Altfasstal oder beim etwas beschwerlichen Aufstieg hinauf zur Fane-Alm, von der es mit dem Leih-Schlitten auf einer kilometerlangen Naturrodelbahn flott zurück ins Tal geht. Wer es ganz bequem mag, nimmt den Brimi Winter Run von der Bergstation Gitschberg runter nach Meransen – die zweite große Rodelbahn des Gebiets ist per Lift erreichbar.
Auf den Erfolgen ausruhen will man sich in der Region Gitschberg Jochtal nicht. Im Frühjahr soll die Talabfahrt nach Meransen für Anfänger optimiert, eine Trainingspiste am Gitschberg installiert und 2020 ein ganz ehrgeiziges Projekt angepackt werden: der Bau einer neuen Seilbahn von Mühlbach tief drunten im Pustertal hinauf nach Meransen. Mit 20 Millionen Euro geht sie wieder ganz schön ins Geld. Doch die Region setzt darauf, dass sich die Investition langfristig lohnen wird.