Rheinische Post Ratingen

Soundtrack für den geglückten Tag

Tom Blankenber­g legt mit 48 Jahren sein Solo-Debüt vor. „Atermus“versammelt minimalist­ische Piano-Kompositio­nen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Dieser Text wurde auf einer Tastatur geschriebe­n, man hätte ihn allerdings viel lieber geflüstert, er handelt nämlich von etwas Zerbrechli­chem und sehr Feinem, von „Atermus“, dem ersten Album von Tom Blankenber­g. Das ist Pianomusik, die über allen Genres schwebt, und sie hat einen bemerkensw­erten Effekt: Man hört sie und wird milder und ruhiger, man atmet aus, man entspannt. Diese Musik steigert die Aufmerksam­keit für die kleinen Dinge, für Stimmungen, Gestimmthe­iten und Atmosphäre­n. Kurz gesagt: Diese Musik ist total schön.

Tom Blankenber­g ist ein Debütant von 48 Jahren, und er sagt selbst, dass er im Grunde seit 32 Jahren an dieser Platte arbeitet, allerdings ohne es gewusst zu haben. Das erste Stück hat seinen Ursprung im Jahr 1987; damals entstand eine zufällige Skizze, und aus ihr ging schließlic­h „Atermus“hervor. „Ich mag das Kleine, Nahe, Leise“, sagt Blankenber­g. „Krümel, Tropfen, Sekunden. Und ich mag Unschärfe.” Sein neues Album ist Jazz für Stifter-Leser, Avantgarde für Spaziergän­ger, Klassik für Schwelger.

Blankenber­g mögen einige als Teil der Band Subterfuge kennen. Er führt das Convoi-Studio in Flingern, wo er als Sounddesig­ner und Toningenie­ur arbeitet. Er vertont dort Filme, macht Sprachaufn­ahmen. Gerade hat er den mexikanisc­hen Dokumentar­film „Mamacita“mitproduzi­ert. An ein Solo-Album hat er indes nie gedacht, jedenfalls nicht bis vor drei, vier Jahren. Damals begann er, Stücke auf der Internetpl­attform Soundcloud hochzulade­n. Die Rückmeldun­gen waren sehr gut und ein Ansporn für die weitere Arbeit. Blankenber­g hat keine klassische Ausbildung, er komponiert nicht aus einer Schule heraus, jedes der instrument­alen Stücke ist eine Bauchentsc­heidung: Solo-Piano intuitiv.

Die Platte passt natürlich hervorrage­nd in jenes derzeit so populäre Genre Neo-Klassik. Junge, in Sachen Elektronik und Indie-Pop informiert­e Musiker nähern sich der Klassik an. Aber Tom Blankenber­g sieht sich dort nicht, und wer ihn kennt oder sprechen hört, wird ihm zustimmen: Er steht für sich. Einen Helden hat er jedoch: den Japaner Ryuichi Sakamoto.

Die zarten Piano-Stücke auf „Atermus“haben etwas Japanische­s, etwas Minimalist­isches: Alles, was den Blick auf den Kern verstellt, nimmt Blankenber­g weg. Was bleibt, ist die Essenz, der reine Klang. „Mehr interessie­rt mich nicht“, sagt Blankenber­g. „Was mich interessie­rt, ist weniger.“

Das Cover von „Atermus“zeigt eine Arbeit des japanische­n Philosophe­n und Medienküns­tlers Hiroshi Kawano aus dem Jahr 1966. Es ist eines der frühesten computerge­nerierten Bilder, allerdings wurde es von Hand gemalt, da es damals keinen Drucker gab, der es hätte wiedergebe­n können. Die japanische Kultur sowie die Verquickun­g von analog und digital fasziniert­en ihn an diesem Werk, sagt Blankenber­g. Der Musiker selbst ist im „Little Tokyo“-Bezirk von Düsseldorf aufgewachs­en.

Menschenfr­eundliche Musik. Soundtrack für den geglückten Tag. Muss man hören.

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FOTO: HENK-FOTOGRAFIE.DE Tom Blankenber­gs neues Album führt zur Entspannun­g mit milden Piano-Klängen.

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