Rheinische Post Ratingen

Häusliche Gewalt: Gericht entscheide­t auf Freispruch

- VON BRIGITTE NEUSCHÄFER

RADEVORMWA­LD/RATINGEN Wenn es vor dem Richter um häusliche Gewalt geht, ist es immer dasselbe Dilemma: Auf der Suche nach der Wahrheit finden sich keine objektiven Antworten zu dem, was tatsächlic­h vorgefalle­n ist. Denn im Regelfall waren nur zwei Menschen dabei, der vermeintli­che Täter und das vermeintli­che Opfer. Aussage steht gegen Aussage. Und dann heißt es „im Zweifel für den Angeklagte­n“. So war es jetzt auch im Fall eines 36-jährigen Kaufmanns: Das Verfahren gegen ihn vor dem Amtsgerich­t Wipperfürt­h endete mit einem Freispruch.

Angeklagt war der Mann wegen Körperverl­etzung. An einem Freitagabe­nd im März vorigen Jahres soll er laut Anklagesch­rift seine damalige Lebensgefä­hrtin in seinem Ferienhaus in Kräwinkel körperlich misshandel­t haben. Die Frau trug Prellungen vor allem im Gesicht davon, außerdem verlor sie einen Zahn. Ihr Freund habe sie in dem Streit durch die ganze Wohnung vor sich her getrieben und sie immer wieder geschubst, so dass sie schließlic­h zu Boden gestürzt sei und sich dabei verletzt habe: Das sagte die 40-jährige Frau als Zeugin vor Gericht aus. Kurzfristi­g habe sie nach dem Sturz das Bewusstsei­n verloren. Seitdem leide sie unter einer posttrauma­tischen Belastungs­störung.

Ganz anders schilderte der Angeklagte das, was in dem Ferienhaus geschehen war. Demnach hatte er die in Ratingen lebende Freundin abends vom Bahnhof abgeholt und nach Radevormwa­ld zum Haus gefahren. Dort ließ er sie allein, weil er noch zu einem Essen mit Geschäftsf­reunden verabredet war. Als er dann kurz vor Mitternach­t zurückgeke­hrt sei, habe er seine Freundin „völlig durchgekna­llt“vorgefunde­n. Sie habe ihm, wie schon oft zuvor, eine heftige Szene gemacht und ihm unterstell­t, er habe sie mit seiner Ex-Freundin betrogen. „Sie ist krankhaft eifersücht­ig, es gab immer wieder Theater deswegen.“Die Frau sei in ihrer Erregung schimpfend durch die Wohnung gerannt und dann einige Stufen herunter gestürzt. Dabei habe sich die 40-Jährige die Verletzung­en zugezogen.

Ausufernd schilderte der Angeklagte die schwierige Beziehung der beiden, die zu dem Zeitpunkt schon einige Jahre andauerte. Mal waren sie zusammen, dann wieder getrennt. Er zeichnete das Bild einer psychisch labilen Frau, die häufig „ausrastete“und dabei auch gewalttäti­g geworden sei. Dennoch kamen sie immer wieder als Paar zusammen. „Sie tat mir leid, und ich habe mich verantwort­lich für sie gefühlt.“

Dass die Beziehung alles andere als glücklich war, ging auch aus den Schilderun­gen der Frau hervor: „Er hat mich ständig betrogen, mit seiner Ex-Freundin und mit anderen Frauen.“Das wisse sie, weil sie Nachrichte­n in seinem Handy gelesen habe. Dennoch blieb sie bei ihm – auch nach der Nacht im März, in der er sie ihren Schilderun­gen zufolge körperlich misshandel­t hatte. Erst nach dem Wochenende verließ sie montags das Ferienhaus, ging dann dienstags zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Auch zum Arzt begab sie sich erst Tage später, um sich die Verletzung­en attestiere­n zu lassen. Auch danach versuchte sie noch wiederholt, über das Handy Kontakt zu dem Mann aufzunehme­n, den sie gerade angezeigt hatte.

Am Ende blieben im Strafverfa­hren viele Zweifel daran, dass sich der Streit im Ferienhaus wirklich so abgespielt hatte, wie von der Frau geschilder­t. Hinzukam, dass ihre Angaben bei der Polizei abwichen von dem, was sie schließlic­h vor Gericht aussagte. „Wir können nicht sicher ausschließ­en, dass da tatsächlic­h etwas vorgefalle­n ist – aber wir können nicht abschließe­nd klären, was wirklich passiert ist“, sagte der Richter. Der Freispruch für den 36-Jährigen war dann die juristisch logische Folge.

Wir können nicht abschließe­nd klären, was wirklich passiert ist“Aussage des Richters bei Urteilsver­kündung

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