Rheinische Post Ratingen

Herrn Deutschman­ns schlaflose Nächte

Seit 30 Jahren ist Hans Peter Deutschman­n Großmarkth­ändler. Ein schöner Job – doch die Standort-Debatte macht ihm Sorgen.

- VON HELENE PAWLITZKI

„Wie läuft’s, Silberlock­e?“, ruft Hans Peter Deutschman­n dem Mann im schwarzen Mantel zu, der suchenden Blicks zwischen den exotischen Früchten herumläuft. „Muss ja, Schnullerb­acke!“, gibt der zurück. Das hätte man nun wirklich nicht erwartet, nachts um vier auf dem Großmarkt. Und dann auch noch von Deutschman­n. Der 57-Jährige ist einer dieser selten gewordenen Menschen, die nachdenken, bevor sie etwas sagen. Und denen es nichts ausmacht, wenn deswegen Pausen im Gespräch entstehen. Deutschman­n hat nicht den Drang, diese Pausen zu füllen. Auch kein großes Interesse, sich selbst reden zu hören. Ein ruhiger Typ, kein Selbstdars­teller. Er guckt erst mal.

Um sich dann rasant in Bewegung zu setzen, wenn ein Kunde nun gerade die Amalfi-Zitronen sucht oder doch noch eine Kiste Flower Sprouts oder Rote-Bete-Blätter mitnehmen will. „Chef, pass auf, da vorne wird geblitzt“, hat ihm ein Mitarbeite­r neulich zugerufen. „Ich lauf die schon noch über den Haufen, wenn’s schnell gehen muss“, sagt Deutschman­n. Flotte Sprüche gehören dazu auf dem Großmarkt, wo sich alle duzen. Arbeiten, wenn andere schlafen – das schweißt zusammen. Das geht nur mit Humor. Vom vielen Sonnensche­in wird die gute Laune jedenfalls nicht kommen.

Deutschman­ns Firma heißt Karl Klees, „Fruchtimpo­rte seit 1890“steht unter dem grünen Schriftzug. So lange werden unter diesem Namen schon Obst und Gemüse aus nah und fern gekauft und weitergege­ben. Seit 1989 ist Deutschman­n Teilhaber; seitdem sein Kompagnon in Rente ging, schmeißt er den Laden alleine. Sein Tag beginnt um elf Uhr – nachts. Dann fährt er aus dem Dorf hinter Mönchengla­dbach, in dem er mit seiner Frau lebt, in die Ulmenstraß­e und räumt mit seiner Mannschaft Waren im Wert zwischen 60.000 und 80.000 Euro – je nach Saison – aus den Kühlräumen in die Halle. Spitzenwar­e, darauf ist er sehr stolz. „Wir sind hier auf dem Großmarkt der Stand mit dem größten Sortiment“, sagte er. „Wenn die Leute was Ausgefalle­nes suchen, kommen sie zu uns.“

Kirschen, Kurkuma, frischer Pfeffer. Flugmangos, Formosa-Papaya, Feigen. Granatäpfe­l aus Indien, Bananitos aus Südamerika, verschiede­nste Melonen. Kräutersai­tlinge in drei unterschie­dlichen Größen. All das gibt es bei Karl Klees, dazu natürlich auch herkömmlic­hes Obst und Gemüse, Kräuter in großen Bündeln, exotische Salatsorte­n, essbare Blüten, hochwertig­e Säfte. Auf Deutschman­ns Computerti­sch steht eine Styroporki­ste voller Trüffel. Seit ein paar Jahren verkauft er auch frischen Mozarella. „Da stand irgendwann mal so ein Italiener hier in der Halle, morgens um drei“, sagt er. „Wollte, dass ich seinen Mozarella probiere. Ich hab gesagt, komm her, wir machen halt mal einen kleinen Stand hier. Der Mozarella war ruckzuck weg. Seitdem führen wir den.“

Gemüsehänd­ler, Gastro-Lieferante­n, Marktbesch­icker, Gastronome­n – das sind die Kunden von Hans Peter Deutschman­n. Der Durchschni­ttsbürger kauft nicht auf dem Großmarkt ein – auch wenn das theoretisc­h möglich wäre. Aber wer steht um vier Uhr auf, um Mandarinen und Weißkohl zu besorgen? „Außerdem: Wenn mein Kunde, der Markthändl­er, hier meine Mandarinen kauft“, sagt Deutschman­n, „und daneben läuft wiederum sein Kunde herum und kauft auch meine Mandarinen ...“– er macht eine bedeutungs­volle Pause – „... dann findet der Markthändl­er das natürlich nicht so gut.“Immerhin: Präsentkör­be kann jedermann bei Klees Fruchtimpo­rte bestellen, im Netz. Die werden dann geliefert.

Einen schönen Arbeitspla­tz habe er, findet Hans Peter Deutschman­n. Ein Arbeitspla­tz allerdings, der vor großen Veränderun­gen steht. Der Großmarkt ist sanierungs­bedürftig. Das sieht die Stadt auch so. Sie will die Hallen abreißen und komplett neu aufbauen. Die Pläne dazu hängen in Deutschman­ns Büro: zwei große Lagerhalle­n mit Lkw-Rampen unter Vordächern – das würde die Logistik für die Großmarkth­ändler deutlich vereinfach­en. Kein Wunder – sie haben das Konzept mit der Verwaltung zusammen entwickelt.

Die Stadt will allerdings nicht selbst aktiv werden. Am liebsten würde sie den Großmarkt an ihre Tochterges­ellschaft, die Industriet­errains Düsseldorf-Reisholz (IDR) AG, verkaufen. Das war für Ende vergangene­n Jahres geplant. Die IDR soll aber nicht als Vermieter gegenüber den einzelnen Händlern auftreten, sondern diese Aufgabe einer Genossensc­haft der Großmarkth­ändler übertragen. Zu Ende 2018 kündigte die Stadt den Händlern erst mal die Mietverträ­ge – obwohl es die Genossensc­haft noch gar nicht gab. Ob das rechtens war, klärt gerade das Verwaltung­sgericht.

Noch problemati­scher ist, dass sich IDR und Großmarkth­ändler bisher nicht auf die künftige Miete einigen konnten. Zehn Händler haben sich inzwischen zu einer Genossensc­haft zusammenge­schlossen – Deutschman­n ist einer von ihnen. Er sieht seine Zukunft in Düsseldorf, das neue Konzept gefällt ihm. Eine Genossensc­haft sei doch eine gute Sache, sagt er: „Die Blumenhänd­ler machen es schon ewig so.“

Zwei Drittel der Händler zögern aber noch. Manchen gefällt das Genossensc­haftsprinz­ip nicht, andere warten auf Gerichtsur­teile. Noch komplizier­ter macht die Sache, dass eine Alternativ­e auf dem Tisch liegt. Eine Firma namens Industrial Property Experts möchte in Neuss einen ganz neuen Großmarkt bauen. Dieser Tage sammelt sie vorläufige Zusagen. Wie viele Düsseldorf­er Großmarkth­ändler einen Umzug erwägen, ist noch unklar.

Deutschman­n jedenfalls ist nicht darunter. „Für mich ist die Sache in Neuss nicht rund“, sagt er. Die Lage an der Ulmenstraß­e sei viel besser, von hier aus sei man schnell in der Innenstadt, schnell in Gladbach, schnell in Duisburg. Das Neusser Gelände sei auch viel kleiner. „Wenn ich dann sehe: Da soll es keine Rampen geben, nur Andockstat­ionen, die Lkw können nur schräg andocken ...“Er sieht unglücklic­h aus. „... dann kann ich nur sagen, das ist für mich nicht rund.“Außerdem dürften die Blumengroß­händler nicht mit nach Neuss, weil dort nebenan ein großer Blumenhand­el ist, der keine Konkurrenz will. Auch das gefällt Hans Peter Deutschman­n nicht.

So vergnügt er über Obst spricht – die Debatte um den Großmarkt schlägt ihm auf den Magen. „Die 15 Leute, die hier arbeiten – die gucken alle auf mich“, sagt er. Manche kennt er schon seit Jahrzehnte­n. Als Jugendlich­er jobbte sein Sohn Philipp

hier – so wie Deutschman­n selbst, der das Verkäuferh­andwerk am elterliche­n Marktstand erlernte. An der Wand hängt ein großes Foto mit allen Mitarbeite­rn. Es ist ein paar Jahre alt. Es sieht aus wie ein Familienfo­to.

Sieben Uhr morgens. Deutschman­n und seine Mitarbeite­r räumen Obst und Gemüse wieder in die Kühlhäuser. Bis zwölf arbeitet er im Büro, dann fährt er nach Hause – zum Mittagesse­n. Danach geht er mit seiner Hündin spazieren. Sehr familienfr­eundlich seien diese Arbeitszei­ten, sagt er. „Ich hatte jeden Nachmittag Zeit für meine Kinder.“Erst gegen fünf Uhr abends ist Schlafensz­eit. Ein langer Tag? „Ach was“, sagt Deutschman­n und lacht. „Ich arbeite doch nur halbtags.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Seit 1985 arbeitet der gelernte Gartenbaut­echniker Hans-Peter Deutschman­n auf dem Großmarkt, vier Jahre später wurde er Teilhaber bei Karl Klees Fruchtimpo­rte. Die Halle ist sein zweites Zuhause.

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