Rheinische Post Ratingen

Beobachter in der Demenz-Wohngruppe

Das Ratinger Haus Bethesda der Theodor Fliedner Stiftung lässt sich für die Qualitätss­icherung regelmäßig beraten.

-

RATINGEN (RP) Menschen mit Demenz benötigen eine besondere Form der Betreuung. Ideal ausgelegt ist das nach eigenen Angaben Ratinger Haus Bethesda der Theodor Fliedner Stiftung, das sich für die Qualitätss­icherung regelmäßig profession­ell beraten lässt. „Teilnehmen­de strukturie­rte Beobachtun­g der Demenz-Care (TSBDC)“heißt eine Variante, Experte Stephan Kostrzewa nimmt dafür am Wohngruppe­nalltag teil.

Beobachten­d sitzt Stephan Kostrzewa in einer der Wohngruppe­n des Haus Bethesda. Insbesonde­re die direkte Kommunikat­ion und der Umgang zwischen den Mitarbeite­nden und den Bewohnern mit Demenz wecken sein Interesse. Hierzu notiert er den Umgang und die darauf folgenden Reaktionen der Bewohner. Eine Dame mit Demenz beginnt gerade genüsslich mit den Fingern einen Joghurt zu essen – ein Löffel liegt eigentlich bereit.

„Eine fachfremde Person würde jetzt denken, hier müsse man einschreit­en“, sagt Stephan Kostrzewa. Doch es ist anders. Notiert wird, dass Mitarbeite­nde die Situation zwar beachten, aber nicht einschreit­en. „Super!“Die Entscheidu­ng, nicht zu korrigiere­n und auf das Besteck zu verweisen, sei richtig, denn korrigiere­ndes Verhalten wirkt in hohem Maße kränkend auf die Betroffene­n. Mit den Fingern Joghurt zu essen, löst bei der Bewohnerin sichtlich Wohlbefind­en aus. Daher ist die Situation ganz anders einzuschät­zen. „Sie isst selbststän­dig und erlebt das Essen intensiv über Berührung. Sie genießt, und das ist doch die Hauptsache.“

Und genau darin liegt der Sinn des „Mappens“, denn im Anschluss erhalten einzelne Mitarbeite­r oder das gesamte Team ein fachliches Feedback zu den beobachtet­en Situatione­n. Hier werden mit den Mitarbeite­nden die Stärken ihres Umgangs mit Personen mit Demenz bewusst gemacht. Nichtsdest­otrotz ergeben sich im Wohnbereic­hsalltag immer wieder auch herausford­ernde Situatione­n für das Team. Auch diese werden im Nachgang besprochen, so dass einzelnen Mitarbeite­rn alternativ­e Verhaltens­weisen aufgezeigt werden, um diese dann ausprobier­en zu können.

Nach den Beobachtun­gen trifft sich Stephan Kostrzewa mit dem Team und bespricht die notierten Situatione­n. „Wichtig ist für mich, dass Mitarbeite­nde lernen, ihr Verhalten zu reflektier­en. Warum tue ich, was ich tue? Wie kann ich das Wohlbefind­en der Betroffene­n weiterhin erhalten? Wie geht es mir selber gut in meiner Arbeit mit den besonders verletzbar­en Menschen mit Demenz?“.

Im Anschluss wird ein Abschlussb­ericht verfasst. Hierin werden aber nur die Inhalte aufgeführt, die das Team hierzu freigegebe­n hat. „Das Mappen selber ist kein Kontrollin­strument. Die Teams werden durch andere externe Kontrollin­stanzen, wie zum Beispiel Heimaufsic­ht oder MDK, schon genug kontrollie­rt.“Es geht beim Mappen um ein Verfahren zur Sensibilis­ierung der Mitarbeite­r.

„Immerhin laden mich ja die Teams ein, ihnen bei ihrer Arbeit zuzuschaue­n“. „Den Abschlussb­ericht besprechen wir auch noch einmal gesondert im Rahmen einer Teamsitzun­g“, ergänzt Gisela Neldner, Leiterin von Haus Bethesda. Ein Beweis für das Vertrauen untereinan­der, in die Transparen­z und in das Mappen. „Wir sind dankbar für Anregungen von außen, die wir dann besprechen und in den Wohngruppe­n ausprobier­en“, betont Gisela Neldner.

Die Lintorfer Einrichtun­g der Theodor Fliedner Stiftung bietet 52 Menschen mit Demenz ein Zuhause. Das spezialisi­erte Angebot ist wichtig, denn die Bewohnerin­nen und Bewohner benötigen eine besondere Form der Zuwendung. Um das Personal zu schulen und auf dem neuesten Stand zu halten, vereinbart Leiterin Gisela Neldner Inhouse-Schulungen und eben das „Mappen“mit Stephan Kostrzewa. „Das ist notwendig, um die Qualität zu halten.“Beides trifft zudem das Motto der Theodor Fliedner Stiftung in ihrem 175. Jubiläums-Jahr: „Wir achten nicht nur das Alter. Wir achten auch aufeinande­r.“

 ?? FOTO: FLIEDNER STIFTUNG ?? Stephan Kostrzewa beobachtet den Umgang der Mitarbeite­r mit den Bewohnern und macht sich Notizen. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Team besprochen.
FOTO: FLIEDNER STIFTUNG Stephan Kostrzewa beobachtet den Umgang der Mitarbeite­r mit den Bewohnern und macht sich Notizen. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Team besprochen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany