Der Großmarkt will sich öffnen
Das Vorstandsmitglied der Händler-Genossenschaft spricht über die Pläne für das Gelände an der Ulmenstraße.
Kurz vor Mitternacht zur Arbeit kommen, am Vormittag nach Hause gehen: Roland Tolls hat ungewöhnliche Arbeitszeiten, aber er teilt sie mit vielen anderen Menschen, die auf dem Düsseldorfer Großmarkt tätig sind. Er ist Geschäftsführer eines Obst- und Gemüsegroßhandels und Mitglied im Vorstand der Händler-Genossenschaft, die sich gegründet hat, um an der Neugestaltung des Marktes mitzuwirken. Dessen Zukunft war lange ungewiss: Die Stadt will das Gelände an ihre Tochter IDR verkaufen, die neue Hallen errichten wird. Über die Bedingungen der Vermietung gab es aber Streit, schließlich trat sogar ein möglicher Konkurrent auf den Plan und bot den Händlern Flächen in Neuss an. Heute, sagt Tolls, ist eine Lösung nah.
Herr Tolls, bleibt der Großmarkt in Derendorf, oder ziehen alle Händler nach Neuss um?
Roland Tolls Inzwischen spricht tatsächlich fast alles dafür, dass wir hierbleiben. Kontakt zum potenziellen Investor in Neuss gibt es nicht mehr. Ich war einer der Händler, die sich für dieses Angebot interessiert haben und hatte dazu auch ein gutes Gespräch mit den zuständigen Planern – beispielsweise über unsere Bedürfnisse an Platz und Logistik. Dann aber haben wir lange nichts mehr gehört, eigentlich hätte dort laut Zeitplan bis Ende Juni schon alles unterschrieben sein sollen. Ob sich am Ende nicht genug Händler für einen Umzug entschieden haben oder es jetzt einfach andere Pläne für das Gelände gibt, kann ich nicht sagen.
Sie wirken aber nicht unglücklich. Tolls Im Grunde wollten viele Kollegen ja ohnehin nicht gerne nach Neuss ziehen. Aber wenn die Lage insgesamt unübersichtlich ist und man nicht weiß, wie es weitergeht, ist man für eine gute Alternative natürlich dankbar. Wir bekamen damit Gelegenheit zu einem Preisvergleich, und die Ideen waren teilweise auch kreativ. Aber es hat sich gezeigt, dass die meisten von uns die Anfahrt am frühen Morgen über die Südbrücke scheuen. Viele Kunden – wir haben 4000 eingetragene – sind ohnehin eher aus dem Rechtsrheinischen und kommen schneller und einfacher hierher an die Ulmenstraße. Das sind Gastronomen und Händler, die auf uns an diesem Standort angewiesen sind.
Nach Neuss hätte auch der Blumengroßmarkt nicht mit umziehen dürfen, da es auf dem Gelände bereits einen Mitbewerber gibt ...
Tolls Und mit dem Blumengroßmarkt haben wir ein tolles Verhältnis. Beide Seiten profitieren voneinander – zumal wir viele gemeinsame Kunden haben, die sonst noch einen anderen Standort anfahren müssten. Ich selbst beliefere beispielsweise die Kasematten – und nehme dann Bedarf auch gleich die bestellten Topfblumen für die Deko mit. In der Debatte spielte es durchaus eine Rolle, dass der Blumengroßmarkt von uns abgetrennt worden wäre. Nicht zuletzt freuen wir uns auch, dass wir weiter so eng mit dem Radschlägermarkt zusammenarbeiten – auf den sind wir nämlich sehr stolz.
Wie viele Händler werden denn nun tatsächlich hier vor Ort bleiben – alle?
Tolls Bislang sind in der Genossenschaft 17 Mitglieder – mit denen sind bereits 11.000 Quadratmeter Fläche der geplanten neuen Hallen belegt. Es werden sicherlich noch einige dazukommen, vielleicht fünf, andere werden vielleicht aufhören.
Drohen dann Leerstände?
Tolls Absolut nicht. Wir haben viele Angebote von externen Unternehmen. Darunter sind namhafte Anbieter, die von den Plänen für ein neues modernes Frischezentrum sehr angetan sind und gerne mitmachen wollen. Viele von ihnen würden sehr gut zu uns passen, beispielsweise mit qualitativ hochwertigen Angeboten von Fisch, Fleisch, Feinkost und Wein. Einige von ihnen hatten in der Vergangenheit schon einmal angefragt – aber seit die Stadt die Pläne hatte, den Großmarkt zu verkaufen, waren Neuansiedlungen recht schwierig. Sie sind ja meist mit großen Investitionen verbunden, beispielsweise in die Kühlanlagen.
Was wird den neuen Großmarkt am alten Standort aus Ihrer Sicht auszeichnen?
TOLLS Das werden wesentlich modernere Bauwerke, energieeffizienter, vielleicht sogar mit einer zentralen Kühlung für alle. Überhaupt wird das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle für uns spielen, beispielsweise bei der Müllentsorgung. Die Stadt hatte das an der Ulmenstraße bislang über die Awista organisiert, die den Abfall als Haushalts-Mischmüll abgeholt hat. Im neuen Großmarkt wird davon wesentlich weniger anfallen, wir werden gründlicher sortieren, trennen und ins Recycling geben. Unser Nachbar Mercedes hat außerdem signalisiert, dass an der Zufahrt zu seinem Werk etwas geändert werden kann – bislang fahren täglich mehr als 600 große Lkw des Sprinter-Werks über unser Gelände.
Zum 30. September sollen die Vereinbarungen mit der IDR in trockenen Tüchern sein. Schaffen Sie das denn?
Tolls Wir sind auf einem guten Weg und haben schon vieles ausräumen können. Doch es gibt auch noch offene Fragen. Zeitlich kann das schon knapp werden.
Ein wichtiger Punkt war von Beginn an, dass die Genossenschaft als Ganzes den Markt mieten soll, womit die Mitglieder jeweils auch für die anderen geradestehen müssen. Ist das noch so?
TOLLS Wir haben erreicht, dass dem Wunsch der Händler nach Einzelmietverträgen entsprochen wird. Aber es stimmt, dass die Mitglieder der Genossenschaft, die ja als Betreiber des neuen Frischezentrums fungieren wird, beispielsweise für Mietausfälle haften sollen. Wir führen mit der IDR intensive Gespräche darüber, wie diese Haftung ausgestaltet wird und welchen Umfang sie hat. Auch in einigen weiteren Punkten besteht noch Klärungsbedarf. Als Genossenschaftsvorstand können wir zwar das eine oder andere selbstständig entscheiden, einige größere Themen müssen wir allerdings noch einmal an alle betroffenen Händler geben. Ein solcher Diskussionsprozess nimmt dann wieder Zeit in Anspruch.
Welche Rollen werden die Klagen spielen, die einige Händler noch gegen die Stadt führen?
Tolls Einige Klagen sind wohl, als noch keine Klarheit bestand, zur rechtlichen Absicherung vorsorglich eingereicht worden.. Die Stadt hatte den Händlern die bisherigen Stand-Zuweisungen schlichtweg kurzfristig gekündigt. Das konnten die Kollegen nicht stillschweigend hinnehmen, zumal viele eine Menge Geld investiert haben und dann nicht wussten, wie es weitergeht. Eine Restunsicherheit gibt es aktuell noch, zumal die IDR das Grundstück ja nach wie vor noch nicht besitzt. Ich kann mir aber vorstellen, dass eine ganze Reihe von Klagen fallengelassen werden, wenn gesichert ist, wie es weitergeht.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Tolls Geplant ist, dass ab dem Jahr 2021 der umgebaute Markt Schritt für Schritt den Betrieb aufnehmen und bis 2023 fertiggestellt sein soll. Wir haben es inzwischen auch geschafft, einen Umzugsplan zu erstellen, mit dem nur sehr wenige Händler zweimal aufwendig und vor allem teuer umziehen müssen – einmal in ein Provisorium und dann in ihre neue Halle. Die ersten müssen in den sauren Apfel beißen, danach würde dann quasi abschnittsweise abgerissen und neu gebaut. Wie wichtig dieses Thema für die Händler ist, war der IDR lange gar nicht klar, vielleicht haben wir das anfangs nicht ausreichend kommuniziert.
Wenn der neue Großmarkt so schön wird – wäre es dann nicht toll, ihn für alle Düsseldorfer zu öffnen? Tolls Das ist grundsätzlich richtig, brächte aber auch Probleme mit sich. Viele Düsseldorfer sind ja die Kunden unserer Kunden, also zum Beispiel beim Obst- und Gemüsehändler vor Ort. Dieser fände es verständlicherweise nicht gut, wenn wir ihm mit einem offenen Verkauf an alle Konkurrenz machen. Unsere Öffnungszeiten sind aber auch nicht typisch für Normalverbraucher. Wir wollen jedoch in der Tat stärker von allen Düsseldorfern wahrgenommen werden. Deshalb gibt es zum Beispiel die Idee, künftig über das Jahr eine Reihe von Veranstaltungen zu schaffen, die für jeden offen sind. Zum Beispiel Kooperationen mit Schulen und Vereinen, um sie mit dem Großmarkt und seinen Produkten vertraut zu machen, Partys oder ein Gastro-Event, bei dem Köche aus der Region mit unseren Produkten kochen. Das ist noch Zukunftsmusik, steht aber bei uns ganz oben auf der Agenda.