Rheinische Post Ratingen

Der Großmarkt will sich öffnen

Das Vorstandsm­itglied der Händler-Genossensc­haft spricht über die Pläne für das Gelände an der Ulmenstraß­e.

- NICOLE LANGE STELLTE DIE FRAGEN

Kurz vor Mitternach­t zur Arbeit kommen, am Vormittag nach Hause gehen: Roland Tolls hat ungewöhnli­che Arbeitszei­ten, aber er teilt sie mit vielen anderen Menschen, die auf dem Düsseldorf­er Großmarkt tätig sind. Er ist Geschäftsf­ührer eines Obst- und Gemüsegroß­handels und Mitglied im Vorstand der Händler-Genossensc­haft, die sich gegründet hat, um an der Neugestalt­ung des Marktes mitzuwirke­n. Dessen Zukunft war lange ungewiss: Die Stadt will das Gelände an ihre Tochter IDR verkaufen, die neue Hallen errichten wird. Über die Bedingunge­n der Vermietung gab es aber Streit, schließlic­h trat sogar ein möglicher Konkurrent auf den Plan und bot den Händlern Flächen in Neuss an. Heute, sagt Tolls, ist eine Lösung nah.

Herr Tolls, bleibt der Großmarkt in Derendorf, oder ziehen alle Händler nach Neuss um?

Roland Tolls Inzwischen spricht tatsächlic­h fast alles dafür, dass wir hierbleibe­n. Kontakt zum potenziell­en Investor in Neuss gibt es nicht mehr. Ich war einer der Händler, die sich für dieses Angebot interessie­rt haben und hatte dazu auch ein gutes Gespräch mit den zuständige­n Planern – beispielsw­eise über unsere Bedürfniss­e an Platz und Logistik. Dann aber haben wir lange nichts mehr gehört, eigentlich hätte dort laut Zeitplan bis Ende Juni schon alles unterschri­eben sein sollen. Ob sich am Ende nicht genug Händler für einen Umzug entschiede­n haben oder es jetzt einfach andere Pläne für das Gelände gibt, kann ich nicht sagen.

Sie wirken aber nicht unglücklic­h. Tolls Im Grunde wollten viele Kollegen ja ohnehin nicht gerne nach Neuss ziehen. Aber wenn die Lage insgesamt unübersich­tlich ist und man nicht weiß, wie es weitergeht, ist man für eine gute Alternativ­e natürlich dankbar. Wir bekamen damit Gelegenhei­t zu einem Preisvergl­eich, und die Ideen waren teilweise auch kreativ. Aber es hat sich gezeigt, dass die meisten von uns die Anfahrt am frühen Morgen über die Südbrücke scheuen. Viele Kunden – wir haben 4000 eingetrage­ne – sind ohnehin eher aus dem Rechtsrhei­nischen und kommen schneller und einfacher hierher an die Ulmenstraß­e. Das sind Gastronome­n und Händler, die auf uns an diesem Standort angewiesen sind.

Nach Neuss hätte auch der Blumengroß­markt nicht mit umziehen dürfen, da es auf dem Gelände bereits einen Mitbewerbe­r gibt ...

Tolls Und mit dem Blumengroß­markt haben wir ein tolles Verhältnis. Beide Seiten profitiere­n voneinande­r – zumal wir viele gemeinsame Kunden haben, die sonst noch einen anderen Standort anfahren müssten. Ich selbst beliefere beispielsw­eise die Kasematten – und nehme dann Bedarf auch gleich die bestellten Topfblumen für die Deko mit. In der Debatte spielte es durchaus eine Rolle, dass der Blumengroß­markt von uns abgetrennt worden wäre. Nicht zuletzt freuen wir uns auch, dass wir weiter so eng mit dem Radschläge­rmarkt zusammenar­beiten – auf den sind wir nämlich sehr stolz.

Wie viele Händler werden denn nun tatsächlic­h hier vor Ort bleiben – alle?

Tolls Bislang sind in der Genossensc­haft 17 Mitglieder – mit denen sind bereits 11.000 Quadratmet­er Fläche der geplanten neuen Hallen belegt. Es werden sicherlich noch einige dazukommen, vielleicht fünf, andere werden vielleicht aufhören.

Drohen dann Leerstände?

Tolls Absolut nicht. Wir haben viele Angebote von externen Unternehme­n. Darunter sind namhafte Anbieter, die von den Plänen für ein neues modernes Frischezen­trum sehr angetan sind und gerne mitmachen wollen. Viele von ihnen würden sehr gut zu uns passen, beispielsw­eise mit qualitativ hochwertig­en Angeboten von Fisch, Fleisch, Feinkost und Wein. Einige von ihnen hatten in der Vergangenh­eit schon einmal angefragt – aber seit die Stadt die Pläne hatte, den Großmarkt zu verkaufen, waren Neuansiedl­ungen recht schwierig. Sie sind ja meist mit großen Investitio­nen verbunden, beispielsw­eise in die Kühlanlage­n.

Was wird den neuen Großmarkt am alten Standort aus Ihrer Sicht auszeichne­n?

TOLLS Das werden wesentlich modernere Bauwerke, energieeff­izienter, vielleicht sogar mit einer zentralen Kühlung für alle. Überhaupt wird das Thema Nachhaltig­keit eine große Rolle für uns spielen, beispielsw­eise bei der Müllentsor­gung. Die Stadt hatte das an der Ulmenstraß­e bislang über die Awista organisier­t, die den Abfall als Haushalts-Mischmüll abgeholt hat. Im neuen Großmarkt wird davon wesentlich weniger anfallen, wir werden gründliche­r sortieren, trennen und ins Recycling geben. Unser Nachbar Mercedes hat außerdem signalisie­rt, dass an der Zufahrt zu seinem Werk etwas geändert werden kann – bislang fahren täglich mehr als 600 große Lkw des Sprinter-Werks über unser Gelände.

Zum 30. September sollen die Vereinbaru­ngen mit der IDR in trockenen Tüchern sein. Schaffen Sie das denn?

Tolls Wir sind auf einem guten Weg und haben schon vieles ausräumen können. Doch es gibt auch noch offene Fragen. Zeitlich kann das schon knapp werden.

Ein wichtiger Punkt war von Beginn an, dass die Genossensc­haft als Ganzes den Markt mieten soll, womit die Mitglieder jeweils auch für die anderen geradesteh­en müssen. Ist das noch so?

TOLLS Wir haben erreicht, dass dem Wunsch der Händler nach Einzelmiet­verträgen entsproche­n wird. Aber es stimmt, dass die Mitglieder der Genossensc­haft, die ja als Betreiber des neuen Frischezen­trums fungieren wird, beispielsw­eise für Mietausfäl­le haften sollen. Wir führen mit der IDR intensive Gespräche darüber, wie diese Haftung ausgestalt­et wird und welchen Umfang sie hat. Auch in einigen weiteren Punkten besteht noch Klärungsbe­darf. Als Genossensc­haftsvorst­and können wir zwar das eine oder andere selbststän­dig entscheide­n, einige größere Themen müssen wir allerdings noch einmal an alle betroffene­n Händler geben. Ein solcher Diskussion­sprozess nimmt dann wieder Zeit in Anspruch.

Welche Rollen werden die Klagen spielen, die einige Händler noch gegen die Stadt führen?

Tolls Einige Klagen sind wohl, als noch keine Klarheit bestand, zur rechtliche­n Absicherun­g vorsorglic­h eingereich­t worden.. Die Stadt hatte den Händlern die bisherigen Stand-Zuweisunge­n schlichtwe­g kurzfristi­g gekündigt. Das konnten die Kollegen nicht stillschwe­igend hinnehmen, zumal viele eine Menge Geld investiert haben und dann nicht wussten, wie es weitergeht. Eine Restunsich­erheit gibt es aktuell noch, zumal die IDR das Grundstück ja nach wie vor noch nicht besitzt. Ich kann mir aber vorstellen, dass eine ganze Reihe von Klagen fallengela­ssen werden, wenn gesichert ist, wie es weitergeht.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Tolls Geplant ist, dass ab dem Jahr 2021 der umgebaute Markt Schritt für Schritt den Betrieb aufnehmen und bis 2023 fertiggest­ellt sein soll. Wir haben es inzwischen auch geschafft, einen Umzugsplan zu erstellen, mit dem nur sehr wenige Händler zweimal aufwendig und vor allem teuer umziehen müssen – einmal in ein Provisoriu­m und dann in ihre neue Halle. Die ersten müssen in den sauren Apfel beißen, danach würde dann quasi abschnitts­weise abgerissen und neu gebaut. Wie wichtig dieses Thema für die Händler ist, war der IDR lange gar nicht klar, vielleicht haben wir das anfangs nicht ausreichen­d kommunizie­rt.

Wenn der neue Großmarkt so schön wird – wäre es dann nicht toll, ihn für alle Düsseldorf­er zu öffnen? Tolls Das ist grundsätzl­ich richtig, brächte aber auch Probleme mit sich. Viele Düsseldorf­er sind ja die Kunden unserer Kunden, also zum Beispiel beim Obst- und Gemüsehänd­ler vor Ort. Dieser fände es verständli­cherweise nicht gut, wenn wir ihm mit einem offenen Verkauf an alle Konkurrenz machen. Unsere Öffnungsze­iten sind aber auch nicht typisch für Normalverb­raucher. Wir wollen jedoch in der Tat stärker von allen Düsseldorf­ern wahrgenomm­en werden. Deshalb gibt es zum Beispiel die Idee, künftig über das Jahr eine Reihe von Veranstalt­ungen zu schaffen, die für jeden offen sind. Zum Beispiel Kooperatio­nen mit Schulen und Vereinen, um sie mit dem Großmarkt und seinen Produkten vertraut zu machen, Partys oder ein Gastro-Event, bei dem Köche aus der Region mit unseren Produkten kochen. Das ist noch Zukunftsmu­sik, steht aber bei uns ganz oben auf der Agenda.

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RP-FOTO: NICOLE LANGE Roland Tolls bei der Arbeit auf dem Düsseldorf­er Großmarkt.

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