Trügerischer Klimaschutz
Schon mal was von Schwefelhexafluorid gehört? Die Chemikalie, kundigen Menschen auch als SF6 bekannt, ist ungiftig, unbrennbar, obendrein einfach und günstig herzustellen. Als Isoliergas in elektrischen Anlagen hilft sie, Kurzschlüsse und Brände zu verhindern. Gerade in Schaltanlagen, die auf engstem Raum installiert werden müssen, gilt sie als unverzichtbar – zum Beispiel in Windkraftanlagen. SF6 ist sozusagen das chemische Rückgrat der Energiewende.
Dummerweise ist SF6 aber auch das stärkste bekannte Treibhausgas – 23.500 Mal so schädlich für das Klima wie CO2. Ein einziges Kilogramm SF6 heizt die Erde so stark auf wie zwei Dutzend gewissenlose Klimasünder, die einen Hinund Rückflug über den Atlantik buchen. Nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur entspricht der jährliche Ausstoß an Schwefelhexafluorid in der EU dem CO2-Ausstoß von 1,3 Millionen zusätzlichen Autos auf Europas Straßen.
Vermutlich sind die Zahlen aber noch viel größer. Nach einem Bericht der BBC sind die tatsächlich in der Atmosphäre registrierten Werte bis zu zehn Mal höher als die von den einzelnen Ländern und Betreibern gemeldeten SF6-Lecks. Insgesamt, so haben Forscher der Universität Bristol recherchiert, hat sich die SF6-Konzentration in den letzten beiden Jahrzehnten dort fast verdoppelt. Einmal in der Atmosphäre, trägt die langlebige Chemikalie mindestens 1000 Jahre zur Erderwärmung bei.
An der Entwicklung von schonenderen Alternativen zu dem extrem klimaschädlichen Gas wird bereits geforscht, aber man geht davon aus, dass die Zahl der Anlagen, in denen SF6 zu Einsatz kommt, bis 2030 weltweit noch einmal um mindestens 75 Prozent zunehmen wird. Ein erheblicher Teil davon geht auf den massiven Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung zurück. Das Beispiel zeigt: Auch die sogenannte grüne
Erzeugung von Energie birgt Risiken für die Umwelt. Und deren Nutzung auch. Beispiel E-Mobilität: Die Gewinnung der Rohstoffe für Autos mit Lithium-Ionen-Batterie, von denen in Deutschland mit noch mehr Subventionen möglichst viele in den Markt gedrückt werden sollen, verwandelt in Afrika, Südamerika oder China ganze Landstriche in Mondlandschaften, gegen die sich Braunkohletagebaue geradezu lieblich ausnehmen. Vom gewaltigen Energieverbrauch, der dabei anfällt, ganz zu schweigen. Sofern man die Elektroautos mit 100 Prozent Öko-Strom betreibt, mögen sie im Betrieb sauber sein. Alles andere an ihnen ist schmutzig.
Die Zukunft in einer schönen neuen Welt voller grüner Ersatztechnologien erweist sich eben als weniger rosig, wenn man sich nicht nur die Emissionseinsparungen im Betrieb, sondern auch die ökologische Gesamtbilanz anschaut. Das gilt auch für den Vorschlag, alte, aber funktionstüchtige Autos mit Verbrennungsmotor und Ölheizungen zu verschrotten. Sie durch neue, energieeffizientere und klimaschonendere Modelle zu ersetzen, mag sich in der Emissionsstatistik ja gut machen, ist aber in der Gesamtbilanz häufig umweltschädlicher, als sie noch einige Jahre weiter zu betreiben.
Apropos Weiterbetrieb: Spätestens im Dezember 2022 soll das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz genommen werden, nach Lage der Dinge entweder das AKW Emsland oder der Meiler Neckarwestheim 2. Beide Anlagen gingen Ende der 80er Jahre in Betrieb und gehören damit bis heute zu den modernsten und wohl auch sichersten kommerziellen Atomanlagen in Europa. Auf die dort produzierte CO2-freie Grundlastenergie mitten im kritischen Umbau unserer Energiewirtschaft zu verzichten, gehört zu den besonders irrationalen Entscheidungen deutscher Politik.
Die will man im übrigen Europa auch nicht überall mittragen. Derzeit tobt in Brüssel ein Streit um die Bewertung der
Jede Technologie, die unterm Strich unseren Ausstoß von Treibhausgasen senkt, sollte eine Chance bekommen