Rheinische Post Ratingen

Dürfen private Pakete ins Büro?

In der Vorweihnac­htszeit nimmt der Paketversa­nd sprunghaft zu. Aber darf man sich die privaten Pakete auch an den Arbeitspla­tz bestellen? Rechtlich handelt es sich um eine Grauzone. Ein Start-up hat den Bereich als Nische erkannt.

- VON VIKTOR MARINOV

DÜSSELDORF Gerade zur Weihnachts­zeit tun es viele, so als ob es ganz selbstvers­tändlich sei, und geben beim Geschenkek­auf im Internet einfach die Arbeitsadr­esse als Lieferort an. Das ist auch praktisch, man ist ja meist im Büro, wenn die Zusteller liefern. Praktisch ist es in der Tat, rechtlich aber heikel. Viele Arbeitgebe­r dürften die die Lieferung privater Pakete an den Arbeitspla­tz dulden. Sie könnten es aber verbieten – und im Extremfall sogar eine Kündigung ausspreche­n.

Denn rechtlich handelt es sich um eine Grauzone. Einerseits hätten Arbeitnehm­er keinen Anspruch darauf, sagt der Anwalt Julius Reiter von der Düsseldorf­er Kanzlei Baum Reiter & Collegen. Laut dem Experten für Arbeitsrec­ht sei der Arbeitgebe­r anderersei­ts aber verpflicht­et, Privatpost auszugeben. Wenn es keine klare Ansage vom Chef gibt, ist die Sachlage also unklar.

Ein Verbot steht jeder Firma offen, schließlic­h geht dadurch Arbeitszei­t verloren – und das nicht nur die des Adressaten, sondern beispielsw­eise auch die des Sekretaria­ts, das die Sendungen häufig am Empfang entgegenne­hmen muss.

Reiter empfiehlt Arbeitgebe­rn eine entspannte Einstellun­g beim Thema. Vor allem Firmen, die ihre Angestellt­en zur Weihnachts­zeit besonders fordern, sollten ihnen lieber dieses Recht einräumen, sagt er. Erst wenn es Überhand nehme und man das Büro vor lauter Paketen nicht mehr sehen könne, sei ein

Verbot oder eine Abmahnung angemessen. Und sogar bei einer klaren Weisung könnte eine Auseinande­rsetzung zugunsten des Arbeitnehm­ers ausgehen, warnt Reiter: „Ein Gericht würde bei einer Kündigung auf das Maß schauen.“

Doch was tut man, wenn die Annahme privater Pakete in der Firma nicht explizit geregelt ist – wie wohl in den meisten Fällen? Man kann sich nach dem Verhalten der Kollegen richten. Wenn der Büronachba­r ständig seine Geschenke ins Büro liefern lässt, kann man es ihm gleichtun. „Es gilt der Gleichbere­chtigungsg­rundsatz“, sagt Reiter.

Allerdings gebe es dabei Ausnahmen – etwa, wenn besagter Kollege sich zu Hause um zwei Kinder kümmern müsse und deshalb besonders wenig Freizeit habe.

Stimmt der Chef einer Paketannah­me im Büro zu, ist die Lage klar. Dann freuen sich übrigens nicht nur die Arbeitnehm­er, sondern auch die Zusteller. Denn so können DHL, DPD oder Hermes mehrere Pakete auf einmal abgeben. Das spart wertvolle Zeit bei der Suche nach der richtigen Adresse oder hilfsberei­ten Nachbarn. Fehlversuc­he bei der Zustellung sind so gut wie ausgeschlo­ssen – anders als zu Hause ist im Büro fast immer jemand da, der die Pakete annehmen kann. „Für uns ist es eine deutliche Erleichter­ung, wenn Menschen sich ihre Pakete an die Büroadress­e liefern lassen“, heißt es beim Paketdiens­t DPD. Besonders in der Weihnachts­zeit, wenn die Paketflut ihren Höhepunkt erreicht, dürfte diese Erleichter­ung mehr als willkommen sein.

Ein deutsches Start-up hat die Grauzone der privaten Sendungen im Büro sogar als Marktlücke erkannt – und nutzt sie erfolgreic­h. Pakadoo heißt die Firma, zu deren Kunden die Deutsche Bahn, Bosch und IBM gehören. Das Konzept: Firmen bezahlen für Software und App und legen einen Empfangsor­t fest. Mitarbeite­r registrier­en sich und bekommen eine E-Mail, wenn die Sendung da ist. Der Chef kann auch bestimmen, zu welcher Zeit man die Pakete abholen darf.

„Je nach Unternehme­n kann es auch sinnvoll sein, den Pakadoo Point über die Mittagspau­se oder zur Feierabend­zeit zu öffnen“, empfiehlt der Dienstleis­ter auf seiner Homepage. Das sei rechtlich einwandfre­i und koste den Mitarbeite­r nichts, sagt eine Sprecherin. Kosten für die Software und den Kundenserv­ice fallen bei der Firma an: Der Preis fängt bei 79 Euro für Firmen mit bis zu 300 Mitarbeite­rn an und reicht bis zu 499 Euro bei mehreren Tausend Mitarbeite­rn.

Sowohl Pakadoo als auch die Deutsche Post bieten Firmen die Option an, Packstatio­nen auf das Firmengelä­nde zu stellen. So wird aus der Grauzone ein Geschäftsf­eld.

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FOTO: ISTOCK Die meisten Firmen dulden die Annahme von Päckchen am Arbeitspla­tz – ein Verbot wäre aber theoretisc­h möglich, denn der Chef hat im Büro das Hausrecht.

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